Hier schreiben Hobbydichter für Lyrik-Freunde – meist Gereimtes und nur Druckreifes! Willkommen also, viel Vergnügen mit unseren Gedichten und deren Bebilderung!

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Bereits seit Jahresbeginn bringen wir neue Folgen an Kalenderblättern und Monatsbildern. Darum herum dann das, was sich an Einfällen so ergibt – man wird sehen! Nun ja, was man auch sieht: wir "unterschlagen" seit einer ganzen Weile auch einen gewissen Anteil an sanfter Erotik nicht länger - die Zeiten sind eben so ...

Wir teilen den Lesern unseres Versbildners mit und bitten um Verständnis, dass wir auch weiterhin das monatliche Angebot auf 6 Beiträge beschränken - die Kontaktarmut dieser Zeit bringt leider auch eine gewisse Ideenarmut mit sich. Neueinstellungen erfolgen damit um die Kalendertage des 1., 6., 11., 16./17., 21./22., 25.-27. eines Monats.

Mittwoch, 9. August 2017

Mundart-Verse (5) – Remstaler Schwäbisch (Fred Boger als Gast)

Notabene: Fortsetzung der losen Folge von Gedichten, die ihre Verfasser/Innen in Mundart schreiben. Der Begriff mag für Sprachwissenschaftler etwas unscharf sein – hier steht er für Gedichte, die man in solcher "Würze" nur in "Regionalsprachen" findet. Auch sind sie den formalen poetischen Auflagen durch das Hochdeutsche weit weniger (oder nicht) verpflichtet.
Für Unkundige, die gar manches Mal "begriffsstutzig" sein würden, gibt es heute und hier eine hochdeutsche Übertragung nebst  einer Reihe Worterklärungen.
Remstal-Höhenweg zwischen Fellbach bei Stuttgart bis zur Remsquelle bei Essingen:
Ausblick vom Rosenstein in der Schwäbischen Alb (735 m ü. NHN) über Lautern.
Urheber: Remstal-Route, 09.06.2012; Quelle: wikimedia.commons; Liz.: CC BY-SA 3.0

 Fred Boger (Heilbronn) …
… ist immer "nah dran an Volkes Meinung" gewesen und formuliert die Verszeile
"… jetz wois i wenigschtens was off ohs zua'koomt!"
Er stellt uns neben zwei Mundartgedichten "zur allgemeinen Lage" eine Reihe von Gedankensplittern in seinem köstlichen Remstaler Schwäbisch vor.
Die Texte wurden größtenteils in Bogers Mundart-Gedichte-Band "Aus em Ländle" (siehe Biografie am Beitragsende!) erstgedruckt.
Wir übertragen die Verse teils ins Hochdeutsche oder erklären Dialektworte:
???  "dia nex daogad" - "oiseidich" – "isch ao ganga" – "äbbas ibr me"  ???
Jeweils neben/bei den Originalen stehen die Lösungen zu solchen Rätseln!


Demokratie

Wenn dia Selle drah sen
noo schempfad dia Sotte,
dass dia Selle nex daogad.

Sen dia Sotte drah
noo schempfad dia Selle,
dass dia Sotte nex daogad.

Z lescht schempfad dia Leit
ibr dia Selle ond Sotte –
abr manche säan deshalb
et "raot" sondern "grün".
Wenn die Einen dran sind,
dann schimpfen die Anderen,
dass die Einen nichts taugen.

Sind die Anderen dran,
dann schimpfen die Einen,
dass die Anderen nichts taugen.

Am Ende schimpfen die Leute
über die Einen und die Anderen –
aber manche sehen trotzdem
nicht "rot" sondern "grün".


Wetterbericht

Wenne uf mainr Vranda hogg
ond s riacht nach Suppa
von dära Suppafabrik*) här,
noo woise, dass bald regnad.
Wenn abr dr Wend
von dr andra Richdong kommt ond
i kah dees Schlachthaus riacha,
noo wirds schee Wetter!

Wenns aber vom Fluss här
nach fauligam Wasser riacht,
noo gwitterts bald.
Ond wenns von dr Schtadt här
nach dene Abgas schtenkt,
noo wirds bald keltr.

Wenns abr nach Suppa riacht,
nach Schlachthaus,
nach fauligam Wasser
ond ao noh nach Abgas schtenkt,
noo bleibts Wetter wias isch.

Noo kasch dai Wesch
ruhig naushengga!
Wenn ich auf meiner Veranda sitz
und es riecht nach Suppe
von dieser Suppenfabrik*) her
dann weiß ich, dass es bald regnet.
Wenn aber der Wind
von der anderen Richtung kommt und
ich kann das Schlachthaus riechen,
dann wird es schönes Wetter!

Wenn es aber vom Fluss her
nach fauligem Wasser riecht,
dann gewittert es bald.
Und wenn es von der Stadt her
nach diesen Abgasen stinkt,
dann wird es bald kälter.

Wenn es aber nach Suppe riecht,
nach Schlachthaus,
nach fauligem Wasser
und auch noch nach Abgasen stinkt,
dann bleibt das Wetter wie's ist.

Dann kannst du deine Wäsche
ruhig raushängen!

*) In meinem Heilbronn ist das die Fabrik Knorr Suppen, heute Unilever.

Schwäbische Gedankensplitter

Schpara

Schpara mias mr
dr Girtl enger schnalla
dr fette Ranza
a bissle aiziiha.

Abr dia
wo dees saagad
dene macht des
nex aus –
dia traagad Hosaträgr.
So macht mrs!

Mir mached dees
wia mrs friior
ao gmacht hen.
Doh hemmer nemlich
gar nex gmacht!

Isch ao ganga
ond mir läbad
heit noh!
Fraindlich

Worom griast denn
der jetz ao
so fraindlich?
Will äbbas vo mr?
Schuldem äbbas?
Hanem en Gfalla doh?
Woisr äbbas ibr me?
Woisch was?
Du kasch me …
(… am Arsch lecka!)



Sparen müssen wir
den Gürtel enger schnallen
den fetten Bauch
ein bisschen einziehen.

Aber diejenigen
die das sagen
denen macht das
nichts aus –
die tragen Hosenträger.
Wir machen das
wie wir das früher
auch gemacht haben.
Da haben wir nämlich
gar nichts gemacht!

Ist auch gegangen
und wir leben
heute noch!
Warum grüßt denn
der jetzt auch
so freundlich?
Will der was von mir?
Schulde ich ihm was?
Habe ich ihm einen
                 Gefallen getan?
Weiß der was über mich?
Weißt Du was?
Du kannst mich … (…)

Hoimat

Hoimat kasch verliira
wenn'da von dr'hoim weg'gosch
ond ällas hentr dir lesch

Hoimat kasch abr ao verliira
wenn'da do'bleibsch
ond d'ganz Welt
kommt zu dir
Meinungsvielfalt

Manche Leit läsad
blos Bildzeidong.
I moin, mr derf sich et so
oiseidich informiara.
I läs ao Frau em Schpiegl
ond Quick.
Isch halt wega dr
"Meinungsvielfalt"!


Die Heimat kannst Du verlieren,
wenn du von daheim weggehst
und alles hinter dir lässt.

Die Heimat kannst du aber auch verlieren
wenn du dableibst
und die ganze Welt
kommt zu dir.
Manche Leute lesen
bloß die Bildzeitung.
Ich meine, man darf sich nicht so
einseitig informieren.
Ich lese auch 'Frau im Spiegel'
und Quick.
Das ist halt so wegen der
'Meinungsfreiheit'




  © Fred Boger
"Ganz fraindliche Grias aus em Ländle!"
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Der Gast unseres August-Beitrages, Fred Boger, wurde 1937 in Schorndorf im Remstal (heutiges BaWü) geboren und ist dort aufgewachsen. Nach einer Handwerkerlehre wanderte er 1956 in die USA aus und begann dort nach einigen Jahren ein Studium an der U. of Illinois, das er mit dem MA abschloss. Nach Rückkehr in die Heimat war er von 1971 bis 1999 als Lehrer in Heilbronn tätig, wo er auch heute lebt.
Als Ruheständler widmet sich Fred Boger vorwiegend dem Schreiben und hat in Mundart wie in der Hochsprache Theaterstücke, Gedichte, Hörspiele und weitere Bücher veröffentlicht. Sein Erstlingswerk "Don`t smile ... , Ein weißer Lehrer arbeitet im schwarzen Getto von Chicago" erschien 1980 bei Bläschke. Der Knödler-Verlag (Reutlingen) verlegte 1982 sein Buch "Aus em Ländle" mit Gedichten in schwäbischer Mundart, dem die meisten der Verse hier entnommen sind.
Fred Boger verfolgt das Tagesgeschehen mit Interesse und tritt in seiner Regionalpresse als engagierter Leserbriefschreiber in Erscheinung, der sich kein X für ein U vormachen lässt …
./.
Die Gegend des Remstals wird oft als die schwäbische Toskana bezeichnet, wovon eine Fotoserie bei der Fotocommunity schönes Zeugnis ablegt.
Die schwäbische Welt ist im Internet mit Lexikon, Humor, Schimpfwörtern und Lebensweisheiten, Essen und Trinken, Kehrwoche und Eigenheiten gut und umfassend vertreten.
Die schwäbische Dialektgruppe als eine große alemannische Untergruppe wird in einem ausführlichen Wikipedia-Artikel beschrieben und dort auch in kartografischer Übersicht dargestellt.

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