Hier schreiben Hobbydichter für Lyrik-Freunde – meist Gereimtes und nur Druckreifes! Willkommen also, viel Vergnügen mit unseren Gedichten und deren Bebilderung!

Aufrufe unseres Blogs erfolgen automatisch mit Sicherheitsprotokoll "https". Am 18. Mai 2022 hatten wir unseren 600. Beitrag in den Blog gestellt!

Bereits seit Jahresbeginn bringen wir neue Folgen an Kalenderblättern und Monatsbildern. Darum herum dann das, was sich an Einfällen so ergibt – man wird sehen! Nun ja, was man auch sieht: wir "unterschlagen" seit einer ganzen Weile auch einen gewissen Anteil an sanfter Erotik nicht länger - die Zeiten sind eben so ...

Wir teilen den Lesern unseres Versbildners mit und bitten um Verständnis, dass wir auch weiterhin das monatliche Angebot auf 6 Beiträge beschränken - die Kontaktarmut dieser Zeit bringt leider auch eine gewisse Ideenarmut mit sich. Neueinstellungen erfolgen damit um die Kalendertage des 1., 6., 11., 16./17., 21./22., 25.-27. eines Monats.

Mittwoch, 29. Mai 2019

Über die Schulter geschaut

Arnold Böcklin (1827-1901): Selbstbildnis mit fiedelndem Tod (1872; Alte Nat.-Gal.)
Foto: Google Cult. Inst., 2011; via wikimedia.commons; Liz.: gemeinfrei 
Für Paula, meine liebe Freundin und Vertraute,
die mir lebenslang wie eine Schwester war.
Völlig unerwartet wurde sie am 22. Mai 
aus dem Zeitigen gerissen; sie fehlt mir nun sehr.

Über die Schulter geschaut
- wie ein Requiem, nur in Versen -

Fidelnd steht er hinter dir;
hörst du denn nicht seine Weise
spielt er sie doch oft sehr leise;
sein Beruf ist Pionier:
Wegbereiter für die Zeit –
kennt nicht Kummer, kennt kein Leid.

Er wird einmal jeden finden –
unverhofft, mal lang ersehnt
fordert plötzlich er den Zehnt;
da gibts kein Heraus-sich-winden.
Unerbittlichkeit für jeden;
lässt nicht gelten Widerreden.

Den er trifft, ganz unerwartet,
nimmt er mit sich in ein Reich –
sei das fließend, engelsgleich
oder schattenhaft geartet;
niemand kann Genaues sagen,
und so bleiben viele Fragen … 

Wenn wir gehen, dann wohin?
Was ergibt des Lebens Sinn?

© lillii (Luzie-R; 25.05.2019) 

Sonntag, 26. Mai 2019

Schillers "Göttinnen der 7 Künste"/2: Skulptur

Drei Skulpturen in Gegenüberstellung
Venus von Willendorf (11cm hoch; ~ 30.000 Jahre alt); NHM Wien;
Ombra della Sera (aus hellenistischer Zeit), im Museo Etrusco Guarnacci, Volterra;
(Liz.: links: via Wikimedia, CC BY-SA 3.0; Mitte: eigenes Foto des Verfassers)
Kapitolinische Venus (~ 100 u.Z.), Kapitol, Rom; (Foto: José Luiz, Liz.: CC BY-SA 4.0)

Die Schutzgöttinnen der Künste sind in der griechischen Mythologie
die olympischen Musen: 9 an der Zahl, wie von Hesiod überliefert;
 dargestellt z. B. im Musen-Peristyl des Achilleion auf Korfu (~1890).
Betrachtern fällt auf, dass unter diesen neun die bildenden Künste fehlen,
 aber Astronomie, Geschichte sowie 4 literarische und 3 musikalische Gattungen
 vertreten sind! Auch Friedrich Schiller verließ das alte Muster und benennt in der
 "Huldigung der Künste" (1804) als "der Künste Schar des Schönen" und Göttinnen:
 Architektur, Skulptur, Malerei, Poesie, Musik, Tanz und Schauspielkunst.


             
              Schillers "Göttinnen der 7 Künste"/2: Skulptur

Es war ein Mann, der einst zu Händen nahm
sein Werkzeug und im Stein den Körper fasste,
der mühsam endlich die Gestalt bekam,
die dann erfahrbar war, falls man sie taste.
Meist formte sich solch Werk zu einer Frau,
erkennbar an den imposanten Formen,
empfunden flüchtig oder auch genau –
man kannte damals ja noch keine Normen.
Was führte einst die Göttin bloß im Schild,
dass Männerwerk geriet nach Frauenbild?

Es ging auch nie – in staunenswerter Art –
um etwas, das man hätte 'schön' geheißen;
das Schöne duldet, scheint's, als Gegenpart
auch Hässliches, doch ohne zu verreißen.
Wer richtet bloß die Dinge ohne Fehl,
vermeidet jeden Anlass einer Schelte?
Ja – machen wir daraus doch gar kein Hehl
und sagen das, was fürderhin auch gelte:
der Göttin Bildnis wirkt, dass sich der Mann
im eignen Werk auch wiederfinden kann.

© elbwolf, 25.05.2019
--------------------------------------------------------------------------------------
• Der Verfasser dieses Versuchs ist sich sehr wohl bewusst, dass man zwar die Schiller'sche Metrik aus der "Huldigung der Künste" nachbilden kann, dass aber niemand Schillers Wortgewaltigkeit und die Tragweite seiner Worte erreichen könnte – und bittet daher um Nachsicht.
• Außerdem sei bedacht (um einem eventuellen geschlechter-spezifischen Wider­spruch zu begegnen), dass in der Bildhauerei doch die wenigsten Künstlerinnen gezählt werden und schon deshalb eine Gender-Diskussion nicht angebracht wäre.

Donnerstag, 23. Mai 2019

Nimms mit Gelassenheit

eigenes Foto der Verfasserin
See in Nähe der Fürstenkuhle im Hochmoor bei der Ortschaft Hochmoor;
(nur wenige Kilometer von meinem westfälischen Wohnort entfernt)


Nimms mit Gelassenheit

Sieh heute Kirschen blühn, die morgen welk schon sind:
wohin du immer schaust, dort ist Vergänglichkeit –
Beständigkeit, sie gibt es wohl zu keiner Zeit.
Schau dort den jungen Mann, vor kurzem war er Kind.

So frag ich jedermann, zum Schluss wohl auch den Wind:
"Sag, was vergeht denn nicht in dieser Erdenzeit? "
Mir säuselt es im Ohr: "Nimms mit Gelassenheit;
das, was du suchst, dafür sind deine Augen blind.

Sieh die Natur, wie Baum und Blumen sich verhalten!
Sie fragen nicht, wie soll mein Leben ich gestalten.
Sie strecken Zweig und Blatt, dies ohne lang zu fragen;

erfreuen sich des Daseins ohn zu überlegen."
Wir solltens ihnen gleichtun, trauen wir verwegen
der eignen Lebenskraft, die bisher uns getragen.

© lillii (Luzie-R), 17.05.2019

Montag, 20. Mai 2019

Der selbst-verhinderte Tischler (M. Albert a. G.)

Eigenes Foto des Verfassers      
Das sind die ursprünglichen Tischlerwerkzeuge – man spürt förmlich die Nostalgie!
Heute setzt der Profi für fast alle damit vorgenommenen Verrichtungen Maschinen ein.

Der selbst-verhinderte Tischler
- ein gereimter Erfahrungsbericht –

Das Holz war meine Leidenschaft,
die Tischlerei mein Reich.
Das Werkzeug an den Wänden haft' –
benutzte alles gleich;
Es war ja auch kein Tischler da.
Was mir mein Kopf so legte nah,
mit Händen auch "geschah".

Ich machte Säge, Hobel scharf
mit Feile, Abziehstein.
Was ich dann letztlich nicht verwarf,
das war vollkommen mein.
War zwar noch weit davon entfernt,
was Schreiner im Beruf erlernt:
hielt eben "frühe Ernt".

Den Meisterschüler-Studiengang
– bei Frauen sehr beliebt –
den sah ich dann mehr kurz als lang.
Was es da alles gibt …
Ich hab die Richtung nicht gewählt:
es war das Geld, das hat gezählt;
ging ins Büro – gequält.

Hab mich ein wenig umgeschaut
in meiner freien Zeit,
und als mein Haus ich ausgebaut,
kam ich damit recht weit.
Kommt heutzutag mein Hang herbei,
mach ich für den Besuch mich frei
der Künstler-Tischlerei.

© Manfred Albert, 17.05.2019
-----------------------------------------------------------------------
Anmerkung von "Versbildner":
Der "Erfahrungsbericht" unseres Gastes war eine spontane Reaktion auf die ebenfalls kritische Anlage der Ballade "Gleichnis" im vorherigen Beitrag von Heliane Meyer. Wir haben für Manfred in unmittelbarer Nachbarschaft Platz gemacht und rücken die noch ausstehenden Mai-Beiträge auf jeweils drei Verweiltage an der Blogspitze zusammen.

Donnerstag, 16. Mai 2019

Ballade-6: Gleichnis (Heliane Meyer a. G.)

Roger & Renate Rössing (1929-2006 resp. 2005) – Aufnahme: Leipzig, 1952:
"Tischler bei der Ausbildung"; Quelle: Deutsche Fotothek (df roe-neg 0006290 005);
via wikimedia.commons; Liz.: CC BY-SA 3.0 de


Gleichnis
- Ballade -

Es dachte sich ein junger Mann:
„Ich möchte Tischler werden.
Sofort, und nicht erst irgendwann,
der beste hier auf Erden.“
Drum suchte er und fand sogleich
im Wald, nicht wirklich einfallsreich,
das Holz, sich zu beweisen.

Nahm Beil und Hobel eilig her,
begann den Klotz zu formen.
Erzählte stolz und ringsumher
vom großen, ja, enormen
Erfolg, der schließlich kinderleicht,
denn seine Kunst sei unerreicht,
selbst Meister würden staunen.

Das Eigenlob war trügerisch,
ihm fehlte jedes Wissen.
Denn schief gerieten Stuhl und Tisch,
sogar die Balken rissen.
Nahm weder Rat noch Hilfe an -
er dachte nicht im Traum daran -
Kritik war ihm zuwider.

Sah keinen einzgen Fehler ein,
verkannte jede Tücke.
Vergessen wurd er, blieb allein,
schuf niemals Meisterstücke.
Und was beweist uns die Geschicht?
Verlache Rat und Freunde nicht,
denn ohne gehst verloren.
© Heliane Meyer

-----------------------------------------------------------------------------------------------  
Bemerkung:
• Versbildner zeigt sich erfreut, nach längerer Pause wieder einen Beitrag
seiner Berliner Gastautorin bringen zu können.
Sie hat auch etwas über die Balladenform von Gedichten zusammen-
gestellt, das → hier nachzulesen geht.
• Unsere Leser könnten nach Gemeinsamkeiten und Unterschieden zum
vorherigen Beitrag suchen, der ebenfalls als Ballade ausgewiesen war.
• Am Foto zu diesem Beitrag fällt auf, wie genau die Gesichter die schon
erreichte Nähe zum gewählten Beruf widerspiegeln.
Dem Lehrling sieht man seine Zweifel an, ob er je die Zimmermannssäge
so führen kann, um vom langen, schmalen Scheit ein fingerdickes Brettchen
abzusägen.

Sonntag, 12. Mai 2019

Das Kräutlein Nies-mit-Lust (Ballade)

Niesmitlust, lat. Sternumentum libidonensis Manfredi subsp. alba mult.
Abb.: Raritäten-Herbarium M. Albertus, 10.05.2019
(mit kollegialem Dank für die Abb. der seltenen Subspezies "alba mult.")

 Das Kräutlein Nies-mit-Lust (Ballade)
- nach Motiven eines Märchens von Hauff -

Ein Märchenkönig hatte zu Besuch
einst einen Gast, der als Gourmet bekannt.
Dem galt 'Geschmack' nicht als versiegelt Buch –
im Gegenteil, er war darauf gespannt,
was Königs Tafel denn zu bieten hätte:
"Ach … Bestes nur? – Dagegen eine Wette!"

Die Speisesäle sahn indes im Schloss
bei jedem Mahl, wie sich die Tafel bog,
wenn die Besucher samt dem ganzen Tross
den Bauch sich füllten – bis der Gast erwog,
dass an der Zeit es wäre für Pasteten –
da ahnte man, woher die Winde wehten ...

            Bald zwei Wochen stand am Feuer
            schon der Koch. Ganz ungeheuer
            schien des Gastes unstillbarer Appetit.
            Nichts bisher war irgend schimpflich,
 alles lief gottlob! recht glimpflich,
 nur Pasteten ließ er weg – nicht sein Gebiet.

Gerad in dem Moment ward nun der Koch
befohlen vor den König, wo der Gast
ihm sagte: "Kerl, kein aber und kein noch:
dein Essen liegt im Magen mir als Last.
Gleich morgen back Pastete Suzeräne –
sonst endet jählings deines Glückes Strähne."

            Wie der Koch sich gegenstemme –
            jetzt nun saß er in der Klemme:
            niemals hörte er zuvor von dem Rezept.
            Doch die Gans Mimi, die kannte
            Suzeräne und benannte,
            was dazu gebraucht – der Koch ward ihr Adept.

Den Folgetag verkündete im Rund
der Hofmeister als den Pasteten-Tag;
und wie die Zeiger wiesen Mittagsstund,
trug man beim allerletzten Glockenschlag
zur Tafel auch mit Pomp die Suzeräne –
der Koch, der Ärmste, litt schon an Migräne.

            Als der Gast sich niederbeugte,
            argwöhnisch das Mahl beäugte,
            klopfte gleich dem Koch das Herz bis hoch zum Hals.
            Nach Verkosten einer Probe,
            gabs nur Tadel, keine Lobe:
            "Kräutlein Nies-mit-Lust – das fehlt hier jedenfalls!"

Ganz fürchterlich war diesmal Königs Groll;
an Aufschub gab dem Koch er einen Tag:
"Ich dreh den Hals dir um – das Maß ist voll,
wenn morgen wieder niemand essen mag."
Doch hat die Gans Mimi dem Koch verraten,
dies Kraut, das wüchse zwischen den Salaten.           

Den Tag darauf geriet der hohe Gast
in sinnliches Entzücken – dergestalt,
dass an der Tafel ihn die Lust erfasst
zu niesen – und mit welcher Urgewalt!
Es kam zur Explosion der Kräuterdüfte,
was jedermann aufs höchlichste verblüffte.

            Nicht den Koch! Der ohne Weile
            griff Mimi an einem Flügel
            und mit ihr in Windeseile
            floh ins Land der sieben Hügel,
            wo er sie verzaubern ließ in eine Frau:
            sie nur kannte "Nies-mit-Lust" derart genau!

© elbwolf, 09.05.2019
---------------------------------------------------------------------------------
Anmerkungen:
• Die Themenwahl verdanke ich einer Eingebung, als ich an anderer 
Stelle eine Serie bedichteter Kräuter (etwa Waldmeister) von einer
mir bekannten Poetessa sah und überlegte, dass das ein genügend 
"weites Feld" wäre, um mich auch einmal daran zu erproben.
Ähnlich wie einst bei "Alle Vöglein sind schon da", wo ich auf den 
Archäopteryx verfiel, kam mir hier das Kräutlein Nies-mit-Lust in
den Sinn. 
Ich kannte es aus dem Zigarettenbilderalbum Deutsche 
Märchen (1939) mit 100 Illustrationen von Paul Hey (1867-1952), die
aber noch einige Jahre ©-geschützt sind. Mein Vater hatte mir, dem 
Vierjährigen, das Album übergeben, als er 1941 ins Feld ziehen musste.
Auf meine Anfrage im Albertus-Herbarium fand sich dort tatsächlich ein Foto der seltenen 
alba-Subspezies, das ich hier nachnutzen durfte.
• Die Gedichtform ist die einer Ballade "mit verteilten Rollen", wie das die unsterblichen 
Verse "Fest gemauert in der Erden ..." und "Er zählt die Häupter seiner Lieben ..." aufzeigen.
Rhythmus, Reimung und Verslängen sind daher in den beiden Strophenarten unterschiedlich 
festgelegt, was ein Deklamieren nicht gerade leicht macht. Aber nach dem zehnten Versuch 
sollte es ohne Versprecher gehen.

Donnerstag, 9. Mai 2019

Mai – ein Monatsbild

Hans Thoma (1839-1924): Mai (Monatsbild aus dem Festkalender)
Mappenwerk, Seemann Verlag Leipzig; via wikimedia.commons; gemeinfrei.

Maienzeit

Der alte Winterzausel ist vertrieben;
die Blumengeister ziehen durch die Welt:
und unterm lichten, blauen Himmelszelt
sich Blütenblätter aus den Knospen schieben.
Die Maienkinder winden Blumenkränzchen –
Schalmeien spielen auf zum frohen Tänzchen.

Der Bub fasst sich die Maid, schwingt sie im Kreise;
sie drehn sich lachend unterm Maienbaum
und träumen ihren eignen Frühlingstraum.
Das Jauchzen in den Stimmen hört man leise.
So lassen wir den Beiden ihr Vergnügen;
sie werden wohl zu zweien sich genügen.

Im Mai legt jedes Vögelchen ein Ei.
So wurde es uns schon als Kind beschrieben.
Geändert hat sich nichts, so ists geblieben –
Wohlan, auch Menschlein sind im Mai dabei.
Wo immer auch wird Leben angelegt,
es wird, wenn's da ist, lieb und gern gepflegt.

Nach vorn, es ist nun endlich an der Zeit;
begrüßen wir den Mai mit frohem Sinn.
Das Grünen der Natur ist schon Gewinn;
und diese spricht nun voller Heiterkeit:
"Ich lass für euch die kleinen Glöckchen läuten,
Ihr ahnt es wohl, was dies hat zu bedeuten."

Die Sonne wird am Tage länger scheinen;
den Bauern zieht es nun hinaus aufs Feld –
die Zeit, sie drängt, der Acker wird bestellt
und Schlüsselblumen blühn an Feldes Rainen.
Der Wonnemonat steht für uns bereit.
Lasst euch nicht bitten – freut euch dieser Zeit
.

© lillii (Luzie-R)

Sonntag, 5. Mai 2019

Wohin den nächsten Kuss? (Villanelle)

Salvador Viniegra y Lasso de la Vega (1862-1915): Erster Kuss von Adam und Eva
/ 1891 gemalt, mit besonders langer Schlange, aber gänzlich ohne Apfel *) /
Scan nach einem Kunstbuch, 2008; via wikimedia.commons; Liz.: gemeinfrei


Wohin den nächsten Kuss?
-      Villanelle erotica  -

Wohin wohl wünschst du dir den nächsten Kuss?
Ach gäbst du mir nur deine Absicht kund –
Es wird auf jeden Fall ein Hochgenuss!

Drum nicht erneut die Lippen mir als Muss!
Was machte unser Unterfangen bunt –
Wohin wohl wünschst du dir den nächsten Kuss?

Empfändest du etwa dabei Verdruss,
Wählt ich der Brüste Knospen mir im Bund?
Es wird auf jeden Fall ein Hochgenuss!

Falls du die Grübchen bötest zum Entschluss,
dein Nabel dem vielleicht dagegen stund?
Wohin wohl wünschst du dir den nächsten Kuss?

Du senkst den Blick zu allem Überfluss …
Gäbst Deine Füße mir – aus welchem Grund?
Es wird auf jeden Fall ein Hochgenuss!

Nicht ganz so weit hinunt? Dann bleibt zum Schluss
Die Wahl begrenzt, doch diesmal ist sie rund!
Wohin wohl wünschst du dir den nächsten Kuss?
Es wird auf jeden Fall ein Hochgenuss!

© elbwolf, 26.04.2019
--------------------------------------------------------------------------------- 
*) … und außerdem: Löwenpaare zählen zu den paarungsfreudigsten Großtieren! 
Wer kennt zudem eine Eva, die mit ihrem Haupthaar Adam zugedeckt hätte, nicht sich selbst?

P18Ausnahmsweise sei hier ein klickbarer Link auf die Zeichnung Le faune à la plume von 1990 beigegeben, die die in der Villanelle gestellte Frage auf ihre Art beantwortet. Über den Autor, den französischen Grafiker Bernard Perroud, ist nichts bekannt; man könnte in ihm einen Nachfolger seines Landsmannes Bernard Montorgueil aus den 1930er Jahren sehen, von dem man gar nichts weiß. ← P18
---------------------------------------------------------------------------------
Noch einmal zur Gedichtform der "Villanelle":
Die Villanelle kommt aus Frankreich. Sie behandelte zunächst den bäuerlichen Alltag und Kirchenthemen in einfacher, direkter Sprache und fröhlich-übermütiger Stimmung. Soweit man ihr Reimschema befolgt bzw. einhalten kann, gehen mit ihr aber auch durchaus andere Themen abzuhandeln – wie hier oben gezeigt wurde.
Im Deutschen wird als Versform der jambische Fünffüßler in vollständiger (Zehnsilbler), übervollständiger (Elfsilbler) Form oder aus beiden Formen gemischt bevorzugt. Entscheidend ist aber das Reimschema, das der Hobby-Dichter kaum ohne ein gutes Reimlexikon wird umsetzen können.
Die Villanelle besitzt 5 Terzette und 1 abschließendes Quartett, besteht also aus insgesamt 19 Versen, ABER sie hat mit nur zwei Reimsilben a, b auszukommen!
Jedes Terzett hat die Form aba, das Quartett die Form abaa. Die Reimwörter b verreimen also übergreifend die 6 Strophen miteinander!
Die beiden a-Reimwörter des 1. Terzetts, 1a und 2a haben die Aufgabe, die Strophen mit einem Refrain auszustatten: der 1a-Vers wird als 3. Vers in der 2., 4. und 6. Strophe, der 2a-Vers als letzter Vers in der 3., 5. und 6. Strophe vollständig wiederholt wird. Damit ist das Reimschema festgelegt als:
1ab2a / ab1a / ab2a / ab1a / ab2a /ab1a2a
Die Anzahl unterschiedlicher a-Reimwörter verringert sich daher um die 3+3 in den "Refrain-Zeilen": es werden für die 13 a-Verse nur 7 verschiedene a-Reimwörter gebraucht, während die 6 b-Reimwörter natürlich alle verschieden sein sollten.

Mittwoch, 1. Mai 2019

Kalenderblatt 05/2019 (Dietmar Kunze als Gast)




Mai / Am Eingang zum Lößnitzgrund

Wie bereits im März ist die Umrundung des Geländes rings um den Grundhof ein regelmäßiges "Muss" für das Skizzieren. Jedes Mal bin ich beeindruckt, mit welchem Feingefühl und Sinn für Proportion und Maß die Architekten Rometsch und Suppes (1906 / 1924) die Baulichkeiten des Grundhofes abrundeten. Hier passierte kein Auftrumpfen, kein Protz, hier waltete Disziplin und ein Einfühlen in die überkommene Bausubstanz, heute würde man es "behutsames Weiterbauen" nennen. Städtebaulich gekonnt ist die Platzierung des Hauses Paradiesstraße 56 im Übergang zum Abfallen der Straße in den Lößnitzgrund. Im Hintergrund vermittelt das Gebäude Paradiesstraße 58 mit seinem wohlgeratenen Dachreiter den Übergang zum Park und dem Giebel des Hauptgebäudes "Grundhof" (siehe Titelblatt März). Leider sind im Laufe der letzten Jahre Garagenbauten, wenn auch mit steilem Dach, hinzugekommen, die diese Gebäudestellungen im unmittelbaren Sichtbereich gelegen, eigentlich deutlich stören. Aber, der Skizzierende kann diesen Makel wettmachen, indem er diese Baukörper zurückhaltend betrachtet, eine analoge Fotografie kann das nicht leisten.

Architekt Dr. Dietmar Kunze, Radebeul
----------------------------------------------------------------------------------------------------------
Das Team von "Versbildner.blogspot.com" bedankt sich beim Künstler und Autor für Original­zeichnung und begleitenden Text sowie bei der Redaktion der Radebeuler Monatshefte "Vor­schau & Rückblick" für die Vermittlung dieser Zusammenarbeit. Das hinzugenommene Farbfoto zeigt nicht nur die bloße – manchmal sogar wenig romantische – Realität, sondern vermittelt eine Vorstellung von Auffassung und Abstraktionsvermögen des Künstlers, das Typische und Wesentliche seines Motivs wiederzugeben.
Foto (Detail): Ibergner, 2008; via wikimedia.commons, Liz.: CC BY-SA 3.0. (Die Datei wird im Wikipedia-Artikel Grundhof_(Radebeul)#Haus_im_Eck_(Paradiesstraße_56) verwendet).

Das beigefügte Gedicht "Ins Heute gebaut – dieses Haus" ist in Amphibrachen geschrieben, den einfachsten unter den dreisilbigen Versfüßen; in den Quartetten sind jeweils nur die beiden Verse mit den unvollständigen Versfüßen (Nr. 2 und 4) gereimt.

Unser Blog stellt Besuchern das aktuelle Kalenderblatt ab jedem Monatsersten zur Verfügung. Interessierte können es sich nach Umkopieren auf zwei A4-Seiten Word (die Seitenränder sind dabei an allen Seiten auf 2 cm einzustellen) im Duplexdruck auf ein A4-Blatt herausdrucken.
----------------------------------------------------------------------------------------------------------
Kalenderblatt 05/2019 auf "Versbildner" mit Dietmar Kunze als Gast