Notabene: Fortsetzung der losen Folge von Gedichten, die ihre
Verfasser/Innen in Mundart schreiben. Der Begriff mag für
Sprachwissenschaftler etwas unscharf sein – hier steht er für Gedichte, die man
in solcher "Würze" nur in "Regionalsprachen" findet. Auch
sind sie den formalen poetischen Auflagen durch das Hochdeutsche weit weniger
(oder nicht) verpflichtet.
Für Unkundige, die gar manches Mal "begriffsstutzig" sein würden, gibt es heute und hier eine hochdeutsche Übertragung nebst einer Reihe Worterklärungen.
Für Unkundige, die gar manches Mal "begriffsstutzig" sein würden, gibt es heute und hier eine hochdeutsche Übertragung nebst einer Reihe Worterklärungen.
Fred Boger (Heilbronn) …
… ist immer "nah dran an Volkes
Meinung" gewesen und formuliert die Verszeile
"… jetz wois i wenigschtens was off ohs zua'koomt!"
Er stellt uns neben zwei
Mundartgedichten "zur allgemeinen Lage" eine Reihe von Gedankensplittern
in seinem köstlichen Remstaler Schwäbisch vor.
Die Texte wurden größtenteils in Bogers Mundart-Gedichte-Band "Aus em Ländle" (siehe Biografie am Beitragsende!) erstgedruckt.
Die Texte wurden größtenteils in Bogers Mundart-Gedichte-Band "Aus em Ländle" (siehe Biografie am Beitragsende!) erstgedruckt.
Wir übertragen die Verse teils ins
Hochdeutsche oder erklären Dialektworte:
??? "dia nex daogad" -
"oiseidich" – "isch ao ganga" – "äbbas ibr me" ???
Jeweils neben/bei den Originalen stehen die Lösungen zu solchen Rätseln!
Jeweils neben/bei den Originalen stehen die Lösungen zu solchen Rätseln!
Demokratie
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Wenn dia Selle drah sen
noo schempfad dia Sotte,
dass dia Selle nex daogad.
Sen dia Sotte drah
noo schempfad dia Selle,
dass dia Sotte nex daogad.
Z lescht schempfad dia Leit
ibr dia Selle ond Sotte –
abr manche säan deshalb
et "raot" sondern "grün".
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Wenn die Einen dran sind,
dann schimpfen die Anderen,
dass die Einen nichts taugen.
Sind die Anderen dran,
dann schimpfen die Einen,
dass die Anderen nichts taugen.
Am Ende schimpfen die Leute
über die Einen und die Anderen –
aber manche sehen trotzdem
nicht "rot" sondern "grün".
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Wetterbericht
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Wenne uf mainr Vranda hogg
ond s riacht nach Suppa
von dära Suppafabrik*) här,
noo woise, dass bald regnad.
Wenn abr dr Wend
von dr andra Richdong kommt ond
i kah
dees Schlachthaus riacha,
noo wirds schee
Wetter!
Wenns aber vom Fluss här
nach fauligam Wasser riacht,
noo gwitterts bald.
Ond wenns von dr Schtadt här
nach dene Abgas schtenkt,
noo wirds bald keltr.
Wenns abr nach Suppa riacht,
nach Schlachthaus,
nach fauligam Wasser
ond ao noh nach Abgas
schtenkt,
noo bleibts Wetter wias isch.
Noo kasch
dai Wesch
ruhig naushengga!
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Wenn ich auf meiner Veranda sitz
und es riecht nach Suppe
von dieser Suppenfabrik*) her
dann weiß ich, dass es bald regnet.
Wenn aber der Wind
von der anderen Richtung kommt und
ich kann das Schlachthaus riechen,
dann wird es schönes Wetter!
Wenn es aber vom Fluss her
nach fauligem Wasser riecht,
dann gewittert es bald.
Und wenn es von der Stadt her
nach diesen Abgasen stinkt,
dann wird es bald kälter.
Wenn es aber nach Suppe riecht,
nach Schlachthaus,
nach fauligem Wasser
und auch noch nach Abgasen stinkt,
dann bleibt das Wetter wie's ist.
Dann kannst du deine Wäsche
ruhig raushängen!
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*) In meinem Heilbronn ist das die Fabrik Knorr Suppen, heute Unilever.
Schwäbische Gedankensplitter
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Schpara
Schpara mias mr
dr Girtl enger schnalla
dr fette Ranza
a bissle aiziiha.
Abr dia
wo dees
saagad
dene macht
des
nex aus –
dia traagad
Hosaträgr.
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So
macht mrs!
Mir mached dees
wia mrs friior
ao gmacht
hen.
Doh hemmer
nemlich
gar nex
gmacht!
Isch ao
ganga
ond mir
läbad
heit noh!
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Fraindlich
Worom
griast denn
der jetz ao
so
fraindlich?
Will äbbas
vo mr?
Schuldem
äbbas?
Hanem en
Gfalla doh?
Woisr äbbas ibr me?
Woisch was?
Du kasch me
…
(… am Arsch
lecka!)
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Sparen müssen wir
den Gürtel enger schnallen
den fetten Bauch
ein bisschen einziehen.
Aber diejenigen
die das sagen
denen macht das
nichts aus –
die tragen Hosenträger.
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Wir machen das
wie wir das früher
auch gemacht haben.
Da haben wir nämlich
gar nichts gemacht!
Ist auch gegangen
und wir leben
heute noch!
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Warum grüßt denn
der jetzt auch
so freundlich?
Will der was von mir?
Schulde ich ihm was?
Habe ich ihm einen
Gefallen getan?
Weiß der was über mich?
Weißt Du was?
Du kannst mich … (…)
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Hoimat
Hoimat
kasch verliira
wenn'da von
dr'hoim weg'gosch
ond ällas
hentr dir lesch
Hoimat
kasch abr ao verliira
wenn'da
do'bleibsch
ond d'ganz Welt
kommt zu
dir
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Meinungsvielfalt
Manche Leit
läsad
blos
Bildzeidong.
I moin, mr
derf sich et so
oiseidich
informiara.
I läs ao
Frau em Schpiegl
ond Quick.
Isch halt
wega dr
"Meinungsvielfalt"!
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Die Heimat kannst Du verlieren,
wenn du von daheim weggehst
und alles hinter dir lässt.
Die Heimat kannst du aber auch
verlieren
wenn du dableibst
und die ganze Welt
kommt zu dir.
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Manche Leute lesen
bloß die Bildzeitung.
Ich meine, man darf sich nicht so
einseitig informieren.
Ich lese auch 'Frau im Spiegel'
und Quick.
Das ist halt so wegen der
'Meinungsfreiheit'
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© Fred Boger
"Ganz fraindliche Grias aus em Ländle!"
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Der Gast
unseres August-Beitrages, Fred Boger,
wurde 1937 in Schorndorf im Remstal (heutiges BaWü) geboren und ist dort aufgewachsen.
Nach einer Handwerkerlehre wanderte er 1956 in die USA aus und begann dort nach einigen Jahren ein Studium an
der U. of Illinois, das er mit dem MA abschloss. Nach Rückkehr in die Heimat war er von
1971 bis 1999 als Lehrer in Heilbronn tätig, wo er auch heute lebt.
Als
Ruheständler widmet sich Fred Boger vorwiegend dem Schreiben und hat in Mundart
wie in der Hochsprache Theaterstücke, Gedichte, Hörspiele und weitere Bücher
veröffentlicht. Sein Erstlingswerk "Don`t smile ... , Ein weißer Lehrer
arbeitet im schwarzen Getto von Chicago" erschien 1980 bei Bläschke. Der Knödler-Verlag (Reutlingen) verlegte 1982 sein Buch "Aus em Ländle" mit
Gedichten in schwäbischer Mundart, dem die meisten der Verse hier
entnommen sind.
Fred Boger
verfolgt das Tagesgeschehen mit Interesse und tritt in seiner Regionalpresse
als engagierter Leserbriefschreiber in Erscheinung, der sich kein X
für ein U vormachen lässt …
./.
Die Gegend des Remstals
wird oft als die schwäbische Toskana bezeichnet, wovon eine Fotoserie bei der Fotocommunity schönes Zeugnis
ablegt.
Die schwäbische Welt ist im Internet mit
Lexikon, Humor, Schimpfwörtern und Lebensweisheiten, Essen und Trinken,
Kehrwoche und Eigenheiten gut und umfassend vertreten.
Die schwäbische Dialektgruppe als eine große alemannische Untergruppe wird in einem ausführlichen Wikipedia-Artikel beschrieben und dort auch in kartografischer Übersicht dargestellt.
Die schwäbische Dialektgruppe als eine große alemannische Untergruppe wird in einem ausführlichen Wikipedia-Artikel beschrieben und dort auch in kartografischer Übersicht dargestellt.
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