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Ribton-Turner, C. J. (Charles James): Der Poet zwischen
seinen beiden "Musen".
Aus dem Buch "A history of vagrants and vagrancy, and beggars and begging" (1887) (©-Beschränkungen sind nicht bekannt) |
Schreibt
wieder Vagantenverse!
Mir
schwebte vor ein klein Gedicht,
das man noch schreiben müsste;
nichts schmälerte der Muse Sicht,
falls sie mich demnächst küsste.
Ich schnupperte mal hier, mal dort,
und drehte manche Runden;
es trieb mich um und weiter fort,
glich einem Vagabunden.
Doch halt, war das nicht der Begriff,
die Sache zu gestalten,
da gab es Strophen recht mit Pfiff,
die in den Ohren hallten.
Wie hießen sie denn ganz genau …
ja – Verse der Vaganten!
Vom Himmel holten die das Blau,
die wahren Unbekannten.
Ihr "Gaudeamus igitur"
wies lebensfrohe Wege,
erschien bald als Verjüngungskur –
falls man das Frohsein pflege.
Wer fühlt in sich den Verseschmied,
nutzt seine eignen Gaben?
Wer dichtet ein Vagantenlied,
wie wir's im Sinne haben?
© elbwolf, 14.09.2018
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das man noch schreiben müsste;
nichts schmälerte der Muse Sicht,
falls sie mich demnächst küsste.
Ich schnupperte mal hier, mal dort,
und drehte manche Runden;
es trieb mich um und weiter fort,
glich einem Vagabunden.
Doch halt, war das nicht der Begriff,
die Sache zu gestalten,
da gab es Strophen recht mit Pfiff,
die in den Ohren hallten.
Wie hießen sie denn ganz genau …
ja – Verse der Vaganten!
Vom Himmel holten die das Blau,
die wahren Unbekannten.
Ihr "Gaudeamus igitur"
wies lebensfrohe Wege,
erschien bald als Verjüngungskur –
falls man das Frohsein pflege.
Wer fühlt in sich den Verseschmied,
nutzt seine eignen Gaben?
Wer dichtet ein Vagantenlied,
wie wir's im Sinne haben?
© elbwolf, 14.09.2018
Legende zu den Vagantenversen:
Vagantenverse
hießen zunächst die 7-füßigen Langverse (Septenare) selbst, die aus
"Anvers" und "Abvers" bestanden. Je zwei Septenare bildeten
im Paar eine Vagantenstrophe. An- und Abvers jeder Verszeile wurden (1) mit
deutlicher Sprech-Pause zusammengefügt ("Diärese" genannt; bezeichnet
mit "||"); konnten (2) beide entweder trochäisch oder jambisch sein
und hatten (3) als Reimpaar zunächst nur in den Abversen einen Endreim
(symbolisch "b"):
troch.: -u-u-u-|| b:-u-u-u (3
vollst. +1 unvollst. || 3 vollst. = 7 Versfüße → 13 Silben)jamb.: u-u-u-u-|| b:u-u-u-u (4 vollst. || 2 vollst. +1 übervollst. = 7 Versfüße → 15 Silben)
Später wurden die Langverse (4)
an der Diärese-Stelle geteilt und zweizeilig angeschrieben; ihre Anvers-Zeilen
konnten (5) ungereimt bleiben oder eigene Endreimung (symbolisch "a")
bekommen. Im letzteren Fall (6) war der aus dem früheren Reimpaar entstandene Vierzeiler dann kreuzgereimt:
trochäisch: a: -u-u-u-|| jambisch: a:
u-u-u-u-|| b: -u-u-u b: u-u-u-u
a: -u-u-u|| a: u-u-u-u-||
b: -u-u-u b: u-u-u-u
Anm.:
Mit "||" wird allgemein eine "Di(h)ärese" bezeichnet, d. h. ein Einschnitt im Vers, an dem die Enden eines Wortes und des Versfußes zusammenfallen.
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