Sonntag, 5. April 2020

Vanitas – leerer Schein

Jan Sanders van Hemessen (1500-~): Vanitas (1535/40)
Allegorie; Palais des Beaux-Arts de Lille; via Wikimedia Commons; gemeinfrei

Vanitas – leerer Schein
- Nachdichtung nach Hoffmanswaldau -

Es wird der Tod mit seiner kalten Hand
dir mit der Zeit um deine Stirne streichen;
der zarten Lippen Rot, es wird verbleichen,
die weißen Schultern werden kalter Sand.

Der Augen Blick, die Kräfte deiner Hand,
für den, den‘s trifft, die werden zeitlich weichen;
das Haar, das noch kann Goldes Ton erreichen,
wird einmal werden nur gemeines Band.

Der schöne Fuß, die lieblichen Gebärden,
die werden Staub und nichts und nichtig werden –
denn niemand opfert mehr der Gottheit Pracht.

Dies und noch mehr muss endlich untergehen;
zu aller Zeit kann nur dein Herz bestehen –
dieweil es die Natur so schön gedacht.


© Luzie-R (für die Nachdichtung)
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Textquelle:
Interpretation:

Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau (1616-79):
Sonnet. Vergänglichkeit der schönheit
- Erstveröffentlichung 1695 zu Leipzig -

Es wird der bleiche Todt mit seiner kalten Hand
Dir endlich mit der Zeit um deine Brueste streichen /
Der liebliche Corall der Lippen wird verbleichen;
Der Schultern warmer Schnee wird werden kalter Sand /

Der Augen suesser Blitz / die Kraeffte deiner Hand /
Fuer welchen solches faellt / die werden zeitlich weichen /
Das Haar / das itzund kan des Goldes Glantz erreichen /
Tilgt endlich Tag und Jahr als ein gemeines Band.

Der wohlgesetzte Fuß / die lieblichen Gebaerden /
Die werden theils zu Staub / theils nichts und nichtig werden /
Denn opfert keiner mehr der Gottheit deiner Pracht.

Diß und noch mehr als diß muß endlich untergehen /
Dein Hertze kan allein zu aller Zeit bestehen /
Dieweil es die Natur aus Diamant gemacht.

Anm.:
Das sechshebige Sonett wurde in der Nachdichtung in ein fünfhebiges umgewandelt.
Sein Inhalt – von Hoffmannswaldau als Liebesgedicht geschrieben – ist sozusagen auch in anderen Hinsichten aktuell geblieben.

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