Dienstag, 9. Februar 2021

Die Qual der Wahl (Pantun-2, nach Chamisso)

Adrian Ludwig Richter (1803-1884): Brautzug im Frühling (1847; Detail)
Dresden, Albertinum; via Wikimedia Commons; Foto: Dguendel; Liz.: CC-BY 4.0


Adelbert de Chamisso: Die Korbflechterin (Pantun)

Der Regen fällt, die Sonne scheint
Die Windfahn dreht sich nach dem Wind,
Du findst uns Mädchen hier vereint,
Und singest uns ein Lied geschwind.

Die Windfahn dreht sich nach dem Wind,
Die Sonne färbt die Wolken rot –
Ich sing euch wohl ein Lied geschwind,
Ein Lied von übergroßer Not.

Die Sonne färbt die Wolken rot,
Ein Vogel singt und lockt die Braut –
Was hat's für übergroße Not
Bei Mädchen fein, bei Mädchen traut?

Ein Vogel singt und lockt die Braut –
Dem Fische wird das Netz gestellt,
Ein Mädchen fein, ein Mädchen traut,
Ein rasches Mädchen mir gefällt.

 


Dem Fische wird das Netz gestellt,
Es sengt die Fliege sich am Licht,
Ein rasches Mädchen dir gefällt
Und du gefällst dem Mädchen nicht.

  

Die Qual der Wahl

Die Sonne schaut aus Wolken vor,
Sacht weht ein lauer Frühlingswind;
Die Mädchen singen leis' im Chor –
Zum Singen trifft man sich geschwind.

Sacht weht ein lauer Frühlingswind;
Auf weiten Feldern wächst die Frucht;
Zum Singen trifft man sich geschwind –
Und nicht ganz ohne Eifersucht.

Auf weiten Feldern wächst die Frucht;
Ein jedes Mädchen wär gern Braut –
Und nicht ganz ohne Eifersucht,
Weil jede nach der andren schaut.

Ein jedes Mädchen wär gern Braut –
Sie haben heimlich schon gewählt,
Weil jede nach der andren schaut,
Wobei der eigne Wunsch nur zählt.

Sie haben heimlich schon gewählt,
Erträumt sich eines Manns Gestalt.
Wobei der eigne Wunsch nur zählt ...
Dann schlügen Hochzeitsglocken bald!


© elbwolf (24.01.2021)

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Anmerkung:
Der Gedichtform Pantun waren früher schon 8 Beitrage gewidmet, die leicht im Blog zu finden sind, wenn man das Label "Pantun (Sprechgesang)" auf dem rechten (schwarzen) Seitenrand anklickt.
In schriftlicher Form liegen Pantune im Ursprungsland Malaysia seit dem 16. Jh. vor. In Frankreich, England und Deutschland haben Lyriker seit dem 19. Jahrhundert Pantune gedichtet. Dazu zählen auch die drei Gedichte in so genannter "maleyischer Form" von Adelbert de Chamisso (1781-1838), die Chamisso in Deutsch verfasste.
Dieser Beitrag zeigt das zweite Pantun "Die Korbflechterin", das mir Anregung zu einer abgewandelten Version war.

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