Donnerstag, 16. Juni 2022

Ehem. Jokers-Gedichte/2– 'Musenkuss'

Johann Heinrich Tischbein d. Ä. (1722-89): Die Muse Erato (1781);
Standort: Neue Galerie, Kassel;  via Wikimedia Commons; Liz.: gemeinfrei.

Aufräumen unseres Archivs förderte ein dort schlummerndes Relikt lyrischer Tätigkeit zu Tage: aus dem "Wochenkalender 2011" mit den besten Gedichten des (damaligen und bald darauf leider eingestellten) Jokers-Lyrik-Preis-Wettbewerbs 2010. Wir haben uns vergeblich um persönliche Kontakte bemüht und ersatzweise beim heutigen Jokers-Verlag um Zustimmung nachgesucht, einige Gedichte zitieren und an ihren Inhalten arbeiten zu dürfen.
Vielleicht meldet sich auch die bei uns leider als verschollen geltende Autorin, deren "Gedicht-Idee" uns beeindruckt hat.


Stefanie Warner (19. Woche, 2011):
"Meine Muse"

Die Muse klopft um Mitternacht,
ich bin von diesem Lärm erwacht.
"Ich werde dich jetzt küssen,
und du wirst dichten müssen!"

Sie tat es und nun sitz' ich hier,
der Zeiger steht auf kurz nach vier.
Alles schläft noch hierzulande,

ich bring' kein Gedicht zustande.
Ich tu' die Muse sehr vermissen;
tja, die schläft jetzt … in meinen Kissen!

 

Musenkuss
/nach einer Idee von St. Warner/
– Sonett –

Erato küsst ihr Dichtervolk beizeiten,
mit mir nur wird es mindest Mitternacht.
Mir passt das schon und ist auch vorbedacht:
dass sie denn gar nicht käm', will ich bestreiten.

Auch diesmal ließ ich mich so spät verleiten,
Was andres steht auch nicht in meiner Macht!
Sie küsst mich auf die Stirne – ach so sacht,
weil sicher sich, ich könnt' ihr nie entgleiten.

Das war nun schon an die vier Stunden her:
es scheint, jetzt dichte ich wohl doch nichts mehr –
die Muse selbst ist etwas ausgelaugt.

Wo ist sie denn, die ich beginn zu missen?
Sieh einer an – sie liegt auf meinem Kissen!
Vielleicht ein Umstand, der zu andrem taugt ...

© elbwolf

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen