Hier schreiben Hobbydichter für Lyrik-Freunde – meist Gereimtes und nur Druckreifes! Willkommen also, viel Vergnügen mit unseren Gedichten und deren Bebilderung!

Aufrufe unseres Blogs erfolgen automatisch mit Sicherheitsprotokoll "https". Am 18. Mai 2022 hatten wir unseren 600. Beitrag in den Blog gestellt!

Bereits seit Jahresbeginn bringen wir neue Folgen an Kalenderblättern und Monatsbildern. Darum herum dann das, was sich an Einfällen so ergibt – man wird sehen! Nun ja, was man auch sieht: wir "unterschlagen" seit einer ganzen Weile auch einen gewissen Anteil an sanfter Erotik nicht länger - die Zeiten sind eben so ...

Wir teilen den Lesern unseres Versbildners mit und bitten um Verständnis, dass wir auch weiterhin das monatliche Angebot auf 6 Beiträge beschränken - die Kontaktarmut dieser Zeit bringt leider auch eine gewisse Ideenarmut mit sich. Neueinstellungen erfolgen damit um die Kalendertage des 1., 6., 11., 16./17., 21./22., 25.-27. eines Monats.

Dienstag, 23. Januar 2024

Winterkunst

Urheber: 4028mdk09: Gelb blühender Winterjasmin (Jasminum nudiflorum);
Foto: Heidelberg, 07.03.2010; via Wikimedia Commons; Liz.: CC BY-SA 3.0


Winterkunst

Äste und Zäune Raureif umhüllt
Glitzernde Pracht im Spiegel
Grell strahlenden Lichts.
Sonnenbrillentag. –

Spinnennetz hat die Tarnkappe verloren,
Kraftvolles Werk aus Kristall.
Vergänglich kalte
Winterkunst.

Hagelzuckerrand an den Blättern.
Einzelnes, leuchtendes Gelb
Im Dickicht der Hecke.
Winterjasmin,

Den der Winter schon lange narrte,
Schaut mit erstarrtem Blick
Auf das Ende
Vereister Schönheit.

Heckenrosenroter Streifen Licht
Östlich hinter dem Turm
Eröffnet den Tag
In winterlicher Pracht.

© A. Weinhart

Dienstag, 16. Januar 2024

Luises Abendlied

Foto: Stephan Czarnowski: Brocken, Sonnenuntergang (16.01.2012);
via Wikimedia Commons; Liz.: CC BY-SA 3.0

 

In memoriam – zum Gedächtnis


Luise Pinc geb. Seifert,
aus dem Ort Satzung (südlich Marienberg/Erzgebirgskamm)
* 15.12.1895; † 24.10.1982

Sie war zu ihrer Zeit bekannt als ″Tischer Mad″; war Tochter eines Maurers. Sie besuchte in Satzung die Schule und arbeitete anschließend als Hausgehilfin. 1920 verheiratete sie sich mit dem Schuhmacher Anton Pinc. Sie schrieb Gedichte und Erzählungen in erzgebirgischer Mundart. Zu ihren Gedichten hat sie teils selbst eine Weise verfasst, teils sind die Verse von regionalen Liedermachern vertont worden, und sie hat mit ihren Töchtern diese Lieder selber auf Veranstaltungen vorgetragen.
Zu ihrem 60. Geburtstag wurden Luise Pinc als „Heimatdichterin“ Ehrungen und Anerkennungen ausgesprochen. Eine kleine Bibliographie ist im Buch ″Stimmen der Heimat″ des Musikverlags Friedrich Hofmeister, Leipzig, 1965, enthalten. Das Buch enthält auch zwei von Luise Pincs Gedichten, von denen eines hier in der ursprünglichen Mundartform wiedergegeben wird; daneben ist eine hochdeutsche Nachdichtung gestellt.
                                                      Quelle: s. das angegebene Buch auf S. 159, 377, 390, 410


Luise Pinc (1956):
Obndlied

Nachdichtung (2024):
Abendlied


Dr Wald is schlofen gange –
zenstrüm is friedliche Ruh,
un meine gruße Sehnsucht
deckt aah de Nacht mit zu.

Vom Dorf haar Glockenlaiten,
de Starn ziehe auf zer Nacht,
un übern Barg haar lechten
viel Lichter aus’n Schacht.

Es rüsten sich de Bargleit
derham zer nachtlichn Schicht,
Glückauf! Glückauf! mög scheine
racht hall ihr Grubenlicht.

Un hinnern Baam dr Monden,
daar guckt zun Fanster rei –
ganz ruhig ward’s in Haisel,
mei Kindel schlöft aah ei.

             
Mundartdichtung: Luise Pinc


Der Wald ist eingeschlafen –
Ringsum herrscht friedlich Ruh,
und mein so großes Sehnen
deckt auch die Nacht mit zu.

Vom Dorf klingt Glockenläuten,
am Himmel Sterne stehn;
die Lichter jedes Schachtes
sind klar am Berg zu sehn.

Es rüsten sich die Bergleut
daheim zur Abendschicht
Glückauf! Glückauf! Es leuchte
recht hell ihr Grubenlicht.

Der Mond hinter den Bäumen,
der schaut zum Fenster rein –
ganz ruhig wird’s im Häuschen,
jetzt schläft mein Kleines ein.

     Nachdichtung: W. Herrmann/elbwolf


-----------------------------------------------------------------------
Anmerkungen:
Nachdichtung? Aber ja, denn einige Mundart-Bestandteile lauten völlig anders als in der Hochsprache. Ein Baier oder ein Friese (nur zum Beispiel) sollen doch nicht leer ausgehen müssen!
Insgesamt ist eine Übertragung zwischen zwei Hochsprachen (bzw. eine Nachdichtung) sozusagen ‘einfacher‘, weil man über Möglichkeiten einer breiteren Wortwahl verfügt, als zwischen Volksmund und Hochsprache, zumal wenn man beide Versionen – wie hier – nebeneinanderstellt und dem Leser einen direkten Vergleich ermöglicht.
In ‘Obndlied‘ wird eine gewisse Belebung der Strophen durch immer wieder andere Gestaltung der zweiten Verse erreicht; in der Nachdichtung sind alle vier Strophen rhythmisch völlig gleich, was der im Text beschriebenen Ruhestimmung entspricht.
Für die Ermittlung des Sterbedatums von Luise Pinc anhand der Kirchenbücher bedanken wir uns bei Herrn Pfarrer Freier vom Pfarramt Marienberg.

Montag, 1. Januar 2024

Kalenderblatt 01v2024: Anno 1914

″Illustrierte Zeitung″ (Titelblatt), Verlag J.J.Weber, Leipzig.
Ausgabe Nr. 1 im Unheilsjahr 1914. © vom 8.1.1914 erloschen.

 

Anno 1914


Es sind genau einhundertzehn
an Jahren schon seither vergangen,
doch könnte es durchaus geschehn,
dass wir erneut dahin gelangen:
ein halbes Jahr – wir wären Krieger
und zweifelsohne diesmal Sieger.

Zwar haben wir in dieser Zeit
an Bittrem mancherlei erfahren,
doch sind wir nun dafür bereit,
erneut zum Kampfe uns zu scharen –
und groß ist unsere Gebärde:
ein Sieger auf verbrannter Erde!

Die Heimstatt der Demokratie,
befindet sich auf keiner Wolke;
sie ist – wie’s heißt – voll Empathie
und trägt den Spruch ″Dem deutschen Volke″.
Meint jemand hier, dass neues Leiden
am besten sollten wir vermeiden?

 



Kalenderblatt 01/2024 –"Anno 1914"
(mit Bezugnahme auf das Jahr des Beginns des I. Weltkriegs)
Verse © Wolfgang Herrmann al. elbwolf