Hier schreiben Hobbydichter für Lyrik-Freunde – meist Gereimtes und nur Druckreifes! Willkommen also, viel Vergnügen mit unseren Gedichten und deren Bebilderung!

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Bereits seit Jahresbeginn bringen wir neue Folgen an Kalenderblättern und Monatsbildern. Darum herum dann das, was sich an Einfällen so ergibt – man wird sehen! Nun ja, was man auch sieht: wir "unterschlagen" seit einer ganzen Weile auch einen gewissen Anteil an sanfter Erotik nicht länger - die Zeiten sind eben so ...

Wir teilen den Lesern unseres Versbildners mit und bitten um Verständnis, dass wir auch weiterhin das monatliche Angebot auf 6 Beiträge beschränken - die Kontaktarmut dieser Zeit bringt leider auch eine gewisse Ideenarmut mit sich. Neueinstellungen erfolgen damit um die Kalendertage des 1., 6., 11., 16./17., 21./22., 25.-27. eines Monats.

Mittwoch, 26. April 2023

Immerzu schlafen

Heinrich Zille (1858-1929): "Ein Nickerchen kann nicht schaden"
Zeichnung (Kohle und rote Kreide auf Papier; aus dem Nachlass);
via Wikimedia Commons; gemeinfrei.

 

Immerzu schlafen

Ich bin einer von den Braven
die am liebsten dauernd schlafen     
und ich tu das, weil man spricht,
nur wer schläft, der sündigt nicht.     

Da ich folglich mit der Sünde
nur noch selten mich verbünde,
ist all das nicht von Betracht,
was mich einst um Schlaf gebracht.

Wie verlaufen meine Tage?
Dass ich mich nicht dauernd plage:
Stress – genau wie Einerlei –
ab in die 'Phantasterei'!

Aufstehn morgens ohne Mühe
geht nicht mehr in aller Frühe:
bis es halber neune schlägt,
wird der 'Schlafbaum' umgesägt.

Nach dem Frühstück – Griff zur Zeitung,
doch die Info-Aufbereitung      
macht, dass man gleich anfangs döst,
bis der Schlaf einen erlöst.     

Mittag ist wie Große Pause,
aber bis zur nächsten Jause
nachmittags genau um vier
spiele ich das 'Murmeltier'.

Dann nach Mokka und nach Kuchen
könnte man sich neu versuchen:
Arbeit gibt's in jedem Haus –
ich räum gern den Spüler aus!

Nun, die Zeit schleicht wie auf Krücken;
schwer ist sie zu überbrücken.
Schließlich wird es doch Schlag acht
und die Glotze kommt zur Macht.     

Je nun: wieder nur Kamellen,
die mir das Programm vergällen.
Eh der Abend ist verratzt
oder die Geduld mir platzt

geb ich lieber einen Braven
... und ... geh … schlafen!

© elbwolf

Freitag, 21. April 2023

Anno dunnemals gedichtet/02: Vier junge Frauen um mich

Foto: Albaro2020 (25.02.2023): Corso Cochabamba carnaval bolivia.
via Wikimedia Commons; Liz.: CC BY-SA 4.0

Wie hat man "anno dunnemals" gedichtet, sagen wir, in den letzten noch einigermaßen friedlichen Tagen vor dem I. Weltkrieg?
Es gibt da das "Fleißbuch" von Hans Benzmann (Hg), Moderne Deutsche Lyrik, verlegt in 2. Auflage 1907 bei Reclam Leipzig – das auf 629 Seiten 171 Dichter vorstellt, von denen auch die Jüngsten nun an die hundert Jahre verblichen sind. Wir haben es im vorigen Beitrag vom 17.04. 2023 kurz vorgestellt. Es enthält ausreichend viele Namen, an denen wir uns erproben können, indem wir die Ideen der früheren lyrischen Produkte mit heutigen Worten auszudrücken versuchen – nicht ohne sie zumindest auszugsweise auch zu zitieren!
Dies ist also der zweite Versuch, ein "Uralt-Gedicht" neu darzubieten:

 

Vier junge Frauen um mich (Variante II)
Nach einer Idee von Ludwig Jakobowski (vor 1900)

Die Freundin fragt mich, den Getreun:
"Sag mir, tat nie ein Wort dich reun?"
Die Nächste meint: "Wenn er mir spricht,
seh' ich oft müde sein Gesicht. "
Die Dritte äußert forsch im Ton,
dass oft nur Undank sei der Lohn.
Die Vierte nimmt mich in den Arm,
ist still; mir wird ums Herzen warm;
sie hat erkannt, dass Traurigkeit
nur unsern innren Bund entzweit.

© L. Rudde

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Das Gedicht ist mit 4-füßig-jambischen Paarreimern geschrieben.

Montag, 17. April 2023

Anno dunnemals gedichtet/01: Junge Frauen

Foto: David Merett (14.08.2012): The Pockett Belles at Goodwod Revival;
via Wikimedia Commons; Liz.: CC BY 2.0.


Wie hat man "anno dunnemals" gedichtet, sagen wir, in den letzten noch einigermaßen friedlichen Tagen vor dem Weltkrieg I.
Es gibt da ein "Fleißbuch" von Hans Benzmann (Hg), Moderne Deutsche Lyrik, verlegt in 2. Auflage 1907 bei Reclam Leipzig – das auf 629 Seiten 171 Dichter vorstellt, von denen auch die Jüngsten nun an die hundert Jahre verblichen sind.

Zu diesem Aufgebot zählen immerhin 24 Frauen. Insgesamt aber sind nur wenige heutzutage noch in aller Munde – sie seien hier genannt:
Dauthendey, Dehmel, Gumppenberg, Hesse, H. v. Hofmannsthal, Holz, Ricarda Huch, Else Lasker-Schüler, Liliencron, Morgenstern, Nietzsche, Rilke, Wedekind, St. Zweig. Einige der Bedeutendsten mussten allerdings aus Platzgründen zurückstehen: Storm, Keller, Fontane und K. F. Meyer.

Wie man sieht, bleiben ausreichend viele Namen übrig, an denen wir uns ausprobieren können, indem wir die Ideen ihrer lyrischen Produkte mit heutigen Worten auszudrücken versuchen – nicht ohne zumindest auszugsweise die von früher zu zitieren!

 

Ludwig Jakobowski (1868-1900)
Junge Frauen

Die Freundin schaut mich an und spricht:
"Verwandelt hat sich dein Gesicht!"
Die zweite spricht: "Ich fühl es schon,
du sprichst mit fremdgewordnem Ton."
Die dritte hebt betrübt mein Kinn:
Wo ist mein sonniger Bruder hin?"              *)
Die vierte geht zum Erker still,
als ob sie durchs Fenster sehen will.           *)
Ich weiß, sie fühlt's am tiefsten mit,
ich hör's am unhörbaren Schritt ...

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*) diese zwei Verszeilen stufen das Gedicht als Knittelverse ein!



Vier junge Frauen und ein Wankelmütiger
Nach einer Idee von Ludwig Jakobowski (vor 1900)

Vier junge Frauen sind zu mir wie Schwestern –
die in mir etwas wie den Bruder sehn;
doch scheint dies alles plötzlich wie von gestern,
und wird als Bund vielleicht nicht mehr bestehn.

Der einen scheint verwandelt meine Miene,
die andre findet fremd den Umgangston;
dass mein Gemüt der dritten sonnig schiene
und sorglos säh' die vierte vom Balkon!

Sie ist die stillste dieser jungen Frauen,
ist die, die wohl am tiefsten alles fühlt;
ihr ist nur nicht so leicht ins Herz zu schauen,
wie heftig es vielleicht grad aufgewühlt ...

Es könnte eben diese letzte sein,
die unserm Bund haucht neues Leben ein.

© elbwolf

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Das Gedicht ist als englisches Sonett geschrieben.

Dienstag, 11. April 2023

Ein Kautschukgedicht

E. M. Lilien (1874-1925): Werbeplakat 1905;
via Wikimedia Commons; gemeinfrei.


Das ergötzliche Bändchen "KURIOSES von A-Z", das L. B. Selbmann im Praesentverlag Heinz Peter, Gütersloh, 1900(?) herausgab, war als "Eine Sammlung verblüffender, komischer, lächerlicher und tiefsinniger Tatsachen und Begebenheiten aus Vergangenheit und Gegenwart" angelegt.
Unter dem Buchstaben K findet sich eine Anekdote zur Kautschukdichtung mit einem ausgefeilten Beispiel "An die Männer – an die Frauen", als dessen Dichter und Erfinder ein gewisser Gisbert von Vincke vermutet wird (s. Wikipedia!), seinerzeit einem Adelsgeschlecht von Juristen und Militärs zugehörig. In seiner Art wird hier eine Nachahmung veranstaltet, die unsere Leser ihrerseits ja "nachahmen" könnten.

Man verfasst zunächst zwei kleine Gedichtelein aus je zwei "aabb-Strophen", die man zunächst untereinander anschreibt und so (d. h. unabhängig voneinander) auch liest bzw. deklamiert.
Dann schreibt man sie zeilenweise nebeneinander an und hofft, dass auch diese "in die Länge gezogenen Zeilen" einen Sinn ergäben, wenn man sie hintereinander und eben QUER liest.
Tun sie's hier? Und natürlich ginge es auch erheblich komplizierter ...

© elbwolf


Tun und Lassen

Das ganze Jahr bereit.
Nicht nur zur schönsten Zeit
sieht man es als Gewinn,
wenn jedes Tun macht Sinn.

Wer regelmäßig döst,
wird kaum jemals erlöst;
ist dann ein schwarzes Schaf,
das alles übertraf.


Planen und Improvisieren

Obwohl nie viel getan –
doch nie ganz ohne Plan –
und sei's improvisiert
Hauptsach': es funktioniert.

Wer nie etwas erprobt,
der wird auch nie gelobt,
blökt noch so viel mäh-mäh
und erntet immer Schmäh.



Tun und lassen ­– planen und improvisieren

Das ganze Jahr bereit.
Nicht nur zur schönsten Zeit
sieht man es als Gewinn,
wenn jedes Tun macht Sinn.

Wer regelmäßig döst,
wird kaum jemals erlöst;
ist dann ein schwarzes Schaf,
das alles übertraf.

Obwohl nie viel getan –
doch nie ganz ohne Plan –  
und sei's improvisiert           
Hauptsach': es funktioniert. 

Wer nie etwas erprobt,
der wird auch nie gelobt,
blökt noch so viel mäh-mäh
und erntet immer Schmäh.

Donnerstag, 6. April 2023

Frühlingsahnen

Streuobstwiesen im Naturpark Barnim (Lobetal); Aufnahme: 12.05.2017;
Foto: Diplodocus474747; via Wikimedia Commons; Liz.: CC BY-SA 4.0

 

Frühlingsahnen


Ein Frühlingsahnen hat mich eingefangen:
'Ade' sag ich den Tagen mit dem Schnee!
Ganz plötzlich spür ich in mir ein Verlangen
nach hellem Sonnenschein und grünem Klee.


Schon geht der Frühling seine neuen Pfade –
die Sonne scheint mir wärmend ins Gesicht;
dies Neuerleben ist schon eine Gnade;
auch vor mir schrieb man drüber viel Bericht.

Der Frühling ist wie eine neue Liebe,
denn die Natur spürt wieder frische Kraft.
An Bäumen, Sträuchern seh‘ ich diese Triebe –
die Schöpfung jedes Jahr aufs Neue schafft.

Es ist die Kraft der alten Mutter Erde:
was wächst – vergeht, auf dass es wieder werde.

© Luzie Rudde

Samstag, 1. April 2023

Kalenderblatt 04/2023 – So war der Frühling ehemals ...

Franz von Bayros (genannt Marquis de Bayros, 1866-1924): "Frühling".
Ill. aus "Das Goldene Lachen", ~1917; Daten nach Wikipedia; Liz.: gemeinfrei.
(als Abb. z. Z. online nicht vorhanden)
./.

   So war der Frühling ehemals ...

   So war der Frühling noch vor hundert Jahren!
   Das heißt: so müsste er gewesen sein –
   wo sonst hätt' ihn der Künstler denn erfahren,
   wenn nicht als Mitmacher in dem Verein?

   Die Weidenzweige lässt er artig hängen
   und schickt die Putten barfüßig durchs Gras;
   die Damen müssen sich in Röcke zwängen;
   die Herrenkleidung ist ein Riesenspaß!

   Nun könntet ihr zum Schluss noch überlegen,
   was ein Jahrhundert ändert im Verlauf –
   und wirklich vieles musste sich bewegen;
   auch Bayros' adliger Verein ging drauf.

   Wie's früher war, beschrieb ich euch komplett –  
   heraus kam wieder einmal ein Sonett ...

 



Kalenderblatt 04/2023 –"So war der Frühling ehemals ..."
© Wolfgang Herrmann