Hier schreiben Hobbydichter für Lyrik-Freunde – meist Gereimtes und nur Druckreifes! Willkommen also, viel Vergnügen mit unseren Gedichten und deren Bebilderung!

Aufrufe unseres Blogs erfolgen automatisch mit Sicherheitsprotokoll "https". Am 18. Mai 2022 hatten wir unseren 600. Beitrag in den Blog gestellt!

Bereits seit Jahresbeginn bringen wir neue Folgen an Kalenderblättern und Monatsbildern. Darum herum dann das, was sich an Einfällen so ergibt – man wird sehen! Nun ja, was man auch sieht: wir "unterschlagen" seit einer ganzen Weile auch einen gewissen Anteil an sanfter Erotik nicht länger - die Zeiten sind eben so ...

Wir teilen den Lesern unseres Versbildners mit und bitten um Verständnis, dass wir auch weiterhin das monatliche Angebot auf 6 Beiträge beschränken - die Kontaktarmut dieser Zeit bringt leider auch eine gewisse Ideenarmut mit sich. Neueinstellungen erfolgen damit um die Kalendertage des 1., 6., 11., 16./17., 21./22., 25.-27. eines Monats.

Freitag, 31. Dezember 2021

Guten Rutsch nach 2022!

Das "Tor der Hoffnung" in einer Lübecker Wohnanlage (Foto 2009);
Planung der Wohnanlage durch den Lübecker Architekten Willy Logner;
Grundstückserwerb erfolgte 1936 durch den Lübecker Rodolfo Groth,
das Richtfest wurde am 23. Februar 1937 gefeiert;

 

Licht am Ende des Tunnels?
/ englisches Sonett /

Noch die paar Stunden, und es ist vorüber 

ein weitres Jahr verging uns wie im Flug;
wir hoffen, Zeiten würden nicht noch trüber
wir fahren sowieso meist Bummelzug.

Gepäck, das wir auf Reisen mit uns führen,
das ist sehr oft nur auf gut Glück gepackt,
zu viel von dem; was andres fehlt; wir spüren:
nichts Optimales – es ist ganz vertrackt!

Wir tragen Hoffnungen in Hirn und Herzen
und schauen hilflos drein, was denn da kommt;
wir unterdrücken in uns Leid und Schmerzen
und helfen mit bei dem, was künftig frommt.

Was wäre, wenn wir einst in neuer Zeit
zusammen lebten ohne Zwist und Streit?

© Das Team von "versbildner"

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Unser DANK gilt diesen Freunden und Gästen des Blogs für ihre Beiträge:
-        Erika Müller-Pöhl für 12 Buchillustrationen zu den Kalenderblättern;
-        Manfred Albert für die 12 Zuarbeiten zur "Hanebüchenen Physik";
-        L. Winrich (a. G.) für vier Liebesgedichte;
-        Heliane Meyer für zwei Gedichte und
-        Herta Krondorfer (Österreich) für ihren lyrischen Beitrag am 9.11.'21.

Wir KÜNDIGEN AN für 2022 zwei neue Serien:
-        einen Sonntagsmaler mit Osterzgebirgsmotiven auf den Kalenderblättern;
-        eine Spottserie über "die Herren der Schöpfung", die alles nur nach Buch tun.

Und wir WÜNSCHEN den Freunden und Besuchern unseres Blogs

einen  guten  Rutsch  nach  2022!

Sonntag, 26. Dezember 2021

Hanebüchene Physik-12: Musizierende Gläser (mit Manfred Albert a. G.)


Diese drei Dinge braucht es für das Musizieren mit Gläsern:
1. Gläser (mindestens 7, für eine ganze Ton-Oktave);
2. Flüssigkeit, um die Gläser verschieden hoch zu füllen;
3. kundige Hände, die die Glasränder streichen – besser: streicheln!
Bei fester Anordnung der Gläser stellt das Ensemble ein Musikinstrument aus der Klasse der Idiophone (Selbsttöner bzw. Selbstklinger) dar – s. Foto!

 

Wenn nasse Hände zarte Gläser streichen …

Ist das "Singen" durch die Hände eingeleitet,
werden Schwingungen im zarten Glas verbreitet,
braucht es nur noch weitres zartes Händeschwingen,
um so ganze Melodien zu Stand' zu bringen.

Magisch scheint uns sicher auch das Theremin,
schwebt die E-Musik mit ihm wie Zeppelin:
ganz berührungsfrei, nur Hände und die Finger,
die allein sind hier für uns die Freudenbringer.

Rechts der Töne: Höhe, links der Laute: Stärke;
der Magneten Feld entlockt so ganze Werke,
was dem Synthesizer schon sehr nahe steht,
wenn es auch viel schwerer zu erlernen geht.

© M. Albrecht & elbwolf

 

© Raimond Spekking: Glasharfenspielerin in Köln (2008);
CC BY-SA 3.0; via Wikimedia Commons
 

Dienstag, 21. Dezember 2021

Chanson d'amour – Nachdichtung eines Volksliedes aus dem Französischen

 

Pompeo Batoni (1708-87): Susanna und die Alten, 1751 (Detail);
Standort unbekannt; via Wikimedia Commons; Public domain

Aus dem Sammelband im Karl Rauch Verlag (1938)
von
Josef Hochmiller (1872-1932):

Chansons d'amour XXXVII

/Chansons populaires de France/

Liebeslieder XXXVII
/

/Französische Volkslieder/

Il était une fille
une fille d'honneur,
qui plaisait au seigneur.

Un jour elle rencontre,
monté sur son cheval,
ce seigneur déloyal.

Preste, il met pied à terre,
entre ses bras la prend,
"Baise-moi, belle enfant!"

"Hélas" répond la belle,
le cœur transi de peur,
"volontiers, mon seigneur!

Je ne crains que mon frère,
s'il me voit dans vos bras,
il fera du fracas.

Montez sur cette roche
et regardez là-bas,
si l'on ne le voit pas."

Et tendis qu'il regarde,
celle qu'il veut mettre à mal
elle saute sur son cheval.

"Adieu, beau gentilhomme!"
et zeste, elle s'en va.
Monseigneur reste là.

Cela vous apprend comme
on attrape un méchant –
qui le veut se défend.

Da gab es einst ein Mädchen,
das tugendsam und recht grazil,
drum einem hohen Herrn gefiel.

Sie trifft ihn eines Tages,
er reitet auf dem Ross daher;
dem Herrn zu trauen, das fällt schwer.

Der Reiter springt vom Pferde,
umarmt das Mädchen ganz geschwind,
"Lass küssen dich, du schönes Kind!"

Erwidert ihm die Schöne
mit angsterfülltem Herzen "Ach,
recht gern, mein Herr!" und bleibt hellwach:

"Nur fürcht' ich, dass mein Bruder,
wenn der in eurem Arm mich sieht
mit grobem Schmäh euch überzieht.

Drum klettert auf den Felsen,
schaut euch rundum gut alles an,
ob man uns auch nicht sehen kann."

Der Herr tut wie geheißen.
Sie achtet nicht, was der studiert –
sie springt aufs Pferd und galoppiert.

"Adieu, du großer Reiter",
und wie der Wirbelwind davon!
Dem Kavalier bleibt nur der Hohn.

Was lehrt das einen jeden?
Den Spitzbub fasst man bald am Steiß,
wenn man sich zu erwehren weiß.

 

© elbwolf al. W.H.
(für die Nachdichtung; 20.12.2021)


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Anmerkungen:
Im französischem Original wird der erste Vers jeder Strophe vor dem
letzten Vers wiederholt, um eine Art Refrain-Charakter zu erzielen.
Die Kunstbeilage illustriert natürlich nicht die in den Versen geschilderte
Situation, zeigt aber die Abwehrhaltung der Frau in aller Deutlichkeit.

Donnerstag, 16. Dezember 2021

Hilfestellungen

 

Christophorus-Figur zu St. Walburga
in meinem heimatlichen Velen-Ramsdorf (NRW)
(Foto: die Verfasserin)


Hilfestellungen

Von jeher sich die Zeiten wiederholen;
dass Menschenkinder nicht den Frieden achten –
den haben uns Protestler längst gestohlen.

Ist es nicht Krieg – ist Krankheit zu betrachten;
wann lernt der Mensch dem andern zu vertrauen,
ihm Freund zu sein und nicht ihn zu entmachten.

Wohin man schaut, verbreitet sich das Grauen,
in Straßen Widerspenstige krakeelen;
mit ihnen ist nichts Gutes aufzubauen.

Was wird nun in der nächsten Zukunft zählen?
Wird es für unsre Kinder eine geben...
besteht dann noch die Möglichkeit zu wählen ...
um frei und sorgenlos zu überleben?

© Luzie Rudde (14.12.2021)

Samstag, 11. Dezember 2021

Monologe an die Liebste

 Liebe Freunde und Besucher unseres Blogs!

         Dieser Beitrag entstand als "lyrisches Anschauungsmittel" zu zwei einander sehr ähnlichen Formaten für den Bau großer Strophen. Seine Aussagen lassen sich in aller Kürze so zusammenfassen:
         "Diese lyrischen Formate besitzen ähnliche Reimschemas: die Siziliane hat "abababab", die Stanze – "abababcc". Sie werden hier unter dem Gesichtspunkt zusammengefasst, dass beide 8-zeilige Strophen bilden. Während für die Siziliane 11-/10-silbige Jamben als normal gelten, sind sie für die Stanze der Standard, wobei deren a-Verse sogar als 11-silbig vor­geschrieben sind."
         Ein echtes Problem ist es, dazu passende Illustrationen zu finden, aber eine kenne ich doch – eine zur "Scheinheiligkeit"! Sie hat vor vielen Jahren der Pariser Fotograf Robert Doisneau "geschossen" – er lebt nicht mehr, aber seine ©-Rechte gelten noch. Daher darf ich hier nur einen Link auf sein wirklich überzeugendes Produkt setzen, das er "Regard oblique" (schräger Blick; Seitenblick) genannt hat – le voilà:

Regard oblique-1          oder            Regard oblique-2

 

Monologe an die Liebste

 (1)    Scheinheilig

Du meinst doch nicht etwa, dass unsre Alten     a: u-u-u-u-u-u
uns hätten zwar recht sittsam aufgezogen         b: u-u-u-u-u-u
und sich nach außen scheinbar gut verhalten,   a: u-u-u-u-u-u
ganz insgeheim jedoch auch dies erwogen:       b: u-u-u-u-u-u
Um Dinge, die als sündhaft ihnen galten,           a: u-u-u-u-u-u
nicht stets zu machen einen weiten Bogen!       b: u-u-u-u-u-u
Da müssten wir bei jeglichem Verbot                 c: u-u-u-u-u-
erst sehn, hängt schief nicht unser eignes Lot!  c: u-u-u-u-u-

(2)     Sachliche Erwägung

Was auf dem Bilde dich so richtig kleidet,
ist, weil es dich wahrscheinlich manchmal packt,
und wer, wie ich, die Zweifel gerne meidet,
der denkt, du bist tatsächlich da fast nackt.
Das ist der Grund, weshalb man dir auch neidet
die Weiblichkeit – ich finde sie intakt.
Der wär' ein Narr, der unter Skrupeln leidet
und nicht sofort gleich alle Toppen flaggt!

(3)     Unzeit für Lyrik

Verzeih – ich werde mir erst jetzt bewusst,
dass meine Verse dich wohl manchmal plagen –
Ich hätte sie ja reimen nicht gemusst,
wenn ich geahnt, dass am Gemüt sie nagen!
Es reimt erwartungsvoll sich vor der Lust:
ich sage das mit sichtlichem Behagen
und Blick darauf, an was wir – fast robust,
weil miteinander sehr vertraut – uns wagen!

© elbwolf al. W.H.

Montag, 6. Dezember 2021

Zukunft oder Fragen zur Zeit

Die fünf Pandava-Brüder aus dem Mahabharata-Epos des Wayang Kults auf Java.
Autor: Gunawan Kartapranata, (2008); Indonesien

 Zukunft oder Fragen zur Zeit

Wie wird es sein in tausend Jahren –
gibt es noch Menschen in der Welt;
noch Menschen, die wie wir erfahren,
dass Liebe und Erotik zählt?

Besitzen wir noch die Organe
wie Leber, Lunge und das Herz;
wie sieht es aus im Weltenplane –
empfinden wir noch Freude, Schmerz?

Ob Pärchen sich in Liebe finden,
mit Kindern diese Liebe krönen;
dass diese Ziele nie verschwinden,
weil Menschen sich leicht umgewöhnen.

Sind Väter, Mütter und die Kinder
noch im Familienbund vereint?
Ob zaubert man aus dem Zylinder
ein Wesen, das als Mensch erscheint?

Computer sind allgegenwärtig –
ersetzen oft den andern Part;
sind sie verbraucht und minderwertig
muss Neues her: ist Gegenwart!

Computer haben keine Seele,
wir pflanzen ihnen keine ein,
wir brauchen gar keine Befehle,
um einfach menschlicher zu sein.

© Luzie-R. (Dezember 2021)
 

Mittwoch, 1. Dezember 2021

Unser Gast: Erika Müller-Pöhl mit Buchgrafik/12

 Kalenderblatt Dezember 2021

© Erika Müller-Pöhl – Buchumschlag zu Gottfried Keller: "Sieben Legenden".
(Ausgabe Kleine Erbe-Serie im ehem. Greifenverlag zu Rudolstadt, 1975)


Anmerkung:

Unseren Gast, die Buchgrafikerin Erika Müller-Pöhl, hat der 'Versbildner-Blog' bereits Mitte Januar vorgestellt – Vita, grafisches Werk, Bibliografie sowie den Buchumschlag zu den beiden Novellen 'Carsten Curator' und 'Der Herr Etatsrat' im I. Quartal 2021 hier gezeigt. Unter ihren buchgrafischen Arbeiten hat Erika-Müller-Pöhl die zur Ausgestaltung von Rainer Hohbergs 'Schachtelhälmchen – Pflanzenmärchen aus aller Welt" besonders liebevoll ausgeführt - hier im II. Quartal gezeigt. Im III. Quartal schmückten unsere Kalenderblätter drei Illustrationen zu J. I. Kraszewskis historischem Roman "Gräfin Cosel".
In diesem Quartal zeigen wir drei Illustrationen zu Gottfried Kellers "Sieben Legenden" in der 'Kleine-Erbe-Serie' des nach 1989 gleich zweimal in die Insolvenz getriebenen Greifenverlags zu Rudolstadt. Der farbige Buchumschlag beschließt diese grafische Serie, die von den Anhängern unseres Blogs offenbar mit Interesse aufgenommen worden ist.

Auf die Beigabe von Versen wurde hier verzichtet, um den Besuchern des Blogs die Umstände der Entstehung des Keller'schen Werks näherbringen zu können und sie vielleicht anzuregen, sich die kleine Ausgabe anzuschaffen oder wenigstens den Text online zu lesen:
http://www.zeno.org/Literatur/M/Keller,+Gottfried/Legenden/Sieben+Legenden

Auch die Wikipedia hält eine Bewertung und Aufarbeitung bereit:
https://de.wikipedia.org/wiki/Sieben_Legenden
                                                                                                                                    /elbwolf al. W.H./

Samstag, 27. November 2021

Hanebüchene Physik-11: Japanische Flechtbrücken (mit Manfred Albert a. G.)

Japanische Flecht- oder Koibrücke
Prinzip-Skizze: M.Albrecht

 

Japanische Flecht- oder Koibrücken

Wer sind die Weltmeister im Flechten?
Nun sucht nicht lange nach den Rechten!
Man muss auch nicht viel Ahnung haben:
es flechten mit den höchsten Gaben
nur die Japaner … Bingo!

Sie flechten untern Po die Sitze
auf denen sitzt sich's einfach Spitze;
sie knarren, wenn man sich draufsetzt,
doch sind sie nicht gleich durchgewetzt,
setzt euch nur drauf … und Bingo!

Die Japan-Bäume in den Wipfeln
berühren sich mit ihren Gipfeln,
sie tragen Leitern in den Zweigen –
das spart ein Rauf- und Runtersteigen:
und man ist schneller … Bingo!

Auch über ziemlich breite Schluchten
gelingt das Sich-Hinüberwuchten:
mit Hilfe solch geflochtner Leitern
kann man am Ufer nicht mehr scheitern –
man kommt nach drüben … Bingo!

Geflochtne Leitern können's wagen
gemeinsam Lasten zu ertragen –
und sind nur deshalb so geflochten
weil sie sonst Tragen nicht vermochten.
Das gilt nicht nur in Japan!

© M.Albrecht & elbwolf

Sonntag, 21. November 2021

Kehraus-II bei eigenen Versen

Buchumschlag für das geplante Bändchen "Gedichte II"
Titelvignette:
Vilhelm Pedersen (1820-59):
Das Schäferstündchen des Schornsteinfegers (1849); Liz.: gemeinfrei.

  

Kehraus-II bei den eigenen Versen …

ja, liebe Fans und Zufalls-Besucher dieses Blogs!
Nach der Information über den ersten Teil eines Kehraus meiner Verse,
https://versbildner.blogspot.com/2020/12/kehraus-bei-den-eigenen-versen.html
habe ich einfach weitergeschrieben und bin jetzt ans Ende des zweiten Teils gekommen.
Vor dem abschließenden dritten Teil wird es nun Zeit, erst einmal die Möglichkeiten des "Gedruckt-Werdens" zu untersuchen. Eine Glosse drüber hatte ich schon geschrieben, nämlich unter
https://versbildner.blogspot.com/2021/10/wer-ist-noch-nicht-gedruckt-glosse.html
Wenn ich also zwar (noch) nicht gedruckt bin, so bin ich doch unter Druck, denn wenn man ÜBER Gedichte schreibt, ist es schwer, auch noch selber welche zu schreiben.
Bitte drückt mir die Daumen für eine erfolgreiche Suche und seid mit mir guter Hoffnung!

elbwolf (© für den Umschlagsentwurf)
(Pandemie-Spätherbst 2021)

Dienstag, 16. November 2021

November – ein Monatsbild (Herbstspaziergang)

Foto-©: die Verfasserin

Herbstspaziergang

November, voller Nebelschwaden,
in ihm sich Fluren, Wälder baden;
wo wirbelnd noch am Waldessaum
tanzt rotes Laub vom Ahornbaum.

Es wird nun still in der Natur,
man sieht, wie knorrig Baumstruktur
sich zeigt - bizarr, geheimnisvoll ...
als schwinge Stimmung Dur zu Moll.

Die Felder, die uns Nahrung gaben,
sind alle längst schon umgegraben.
Es ruht die Scholle, sie tankt Kraft
fürs nächste Jahr, dass sie es schafft.

Dass Saaten, Samen können sprießen;
der Jahreskreislauf kann sich schließen.
Den ersten Frost bringt schon die Nacht -
nicht weit ist Winters weiße Pracht.

© Luzie Rudde

Donnerstag, 11. November 2021

Ein vielseitiges Wort

Foto+©: der Verfasser (1.10.2021)
Ein vielseitiges Wort auf der passenden Tasse
(mit passendem Inhalt: schwarzer Tee mit Milch)


  Ein vielseitiges Wort


Den Tee trink ich aus einer hohen Tasse,
die ist aus Porzellan und schön verziert.
Damit sie sich mang andrer nicht verliert,
hebt sie ein Wort hervor aus aller Masse.

Dies Wort, vorn aufgemalt, das find ich klasse,
das ist nicht im Geringsten antiquiert,
es ist im Gegenteil ambitioniert,
doch so, dass es gleich jeder richtig fasse.

Der eingegossne Tee, welch edler Trunk!
lässt sich bei diesem Worte recht genießen:
es passt zum Tee als ein besondrer Prunk.

Vor Rührung könnten mir die Tränen fließen ...
Im Grund verspüre ich den Europäer –
beim Tee bleib lieber ich noch Pharisäer.

© elbwolf, 30.9.2021

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Anmerkung:
Dass unter der Bezeichnung Pharisäer auch ein Getränk mit Kultstatus aus Nordfriesland vermarktet wird, hat man mir erst soeben klargemacht. Hätte ich normalerweise für einen Friesenwitz gehalten, steht aber in der Wikipedia. Und der Höhepunkt scheint zu sein, dass die Tassenaufschrift eigentlich eine Tasse voll von jenem Getränk bedeuten soll!
O, diese Pharisäer, wollte sagen, diese Friesen!

Samstag, 6. November 2021

De Harvst

Foto + © L. Rudde: Herbst im Münsterland (2021)

 
De Harvst

De Harvst is trokken no inn't Land –
dat Koorn, de Äerpels inne Schüür
all dütt, dat is een grootet Pfand
för't Lewen, no wöd't nich to düür,
alls lagert föör de Wintertied:
de noahste Sommer is noch wied.

Dat Veeh, dat is lang uppen Stall;
de Rööpen, de sünd rundüm vull –
för so wat sorgt de Buren all.
För een paar Monde langt et wull –
se brukt noh fresen nich un smachten,
doa is alltieds good drupp to achten.

De Bööm, de smiet dat Loov herunner,
de Wind de wait't to groote Hopen,
doa kruupt de Winterschlöaper drunner,
so aff un an süht man se loopen.
Ant Herdfüür is't no mollig warm
un Moder nümmp eern Kind in'n Arm.

© Luzie Rudde

Montag, 1. November 2021

Unser Gast: Erika Müller-Pöhl mit Buchgrafik/11

 Kalenderblatt November 2021
© Erika Müller-Pöhl – Ill. zu Gottfried Keller: Die Jungfrau und die Nonne (S. 62)
(aus "Sieben Legenden", Ausgabe Kleine Erbe-Serie im ehem. Greifenverlag zu Rudolstadt, 1975)
Abb.: Die welterfahrene Ex-Nonne Bea weist des Barons Ansinnen auf freie Liebe zurück


Anmerkung:

Unseren Gast, die Buchgrafikerin Erika Müller-Pöhl, hat der 'Versbildner-Blog' bereits Mitte Januar vorgestellt – Vita, grafisches Werk, Bibliografie sowie den Buchumschlag zu den beiden Novellen 'Carsten Curator' und 'Der Herr Etatsrat' im I. Quartal 2021 hier gezeigt. Unter ihren buchgrafischen Arbeiten hat Erika-Müller-Pöhl die zur Ausgestaltung von Rainer Hohbergs 'Schachtelhälmchen – Pflanzenmärchen aus aller Welt" besonders liebevoll ausgeführt - hier im II. Quartal gezeigt. Im III. Quartal schmückten unsere Kalenderblätter drei Illustrationen zu J. I. Kraszewskis historischem Roman "Gräfin Cosel".

In diesem Quartal zeigen wir drei Illustrationen zu Gottfried Kellers "Sieben Legenden" in der 'Kleine-Erbe-Serie' des nach 1989 gleich zweimal in die Insolvenz getriebenen Greifenverlags zu Rudolstadt.

Insbesondere bei Kellers "7 Legenden" kann sich der Bearbeiter des Eindrucks nicht erwehren, dass Keller wohl ein gläubiger Mensch war, uns "Heutige" aber (in weiser Voraussicht!) schon damals ein wenig auf die Schippe genommen und vielleicht dabei sogar milde gegrinst hat … ungeachtet der Interpratationen, die die Nachwelt für Bildungszwecke herausgearbeitet haben mag – und mit der Bitte um Entschuldigung für meine Offenheit – W.H.

Die verwendeten Verse sind 4-füßige Anapäste, teils übervollständig. Wegen der Verslängen als 12/13-Silber war es vom Platzangebot erforderlich, jeden Vers auf zwei Zeilen zu verteilen, was an den Einrückungen kenntlich ist. Diese halbzeiligen Verspaare müssen also zusammenhängend gelesen und verstanden werden.

/elbwolf al. W.H./

Dienstag, 26. Oktober 2021

Hanebüchene Physik-10: Uhr als Kompass (mit Manfred Albert a. G.)

Prinzip-Skizze: M. Albrecht

 

Die Tippeltappeltour in den Süden

Bist du Besitzer einer Uhr, die geht,
dann starr nicht so stupide in die Runde –
zumal die Sonne hoch am Himmel steht.

Mehr Info gebe ich dir nicht zur Kunde:
Zeig du mir jetzt, wo Richtung Süden ist,
sofort – und nicht getrödelt eine Stunde!

Die Uhr ist jetzt der wichtigste Statist:
richt sie mit kleinem Zeiger auf die Sonne –
den Winkel schau, den mit der 12 er misst.

Und diesen Winkel teilst du nun mit Wonne
in gleiche Hälften – gradezu trivial;
bekommst Applaus getrommelt auf die Tonne!

Nach Süden zeigt der Strich – was ein Signal!
Das du wohl sicherlich nicht hast erwartet,
doch ist die Sache absolut legal,
nur war mein Spiel mit dir leicht abgekartet ...

© M. Albrecht & elbwolf

Donnerstag, 21. Oktober 2021

Wer ist noch nicht gedruckt? (Glosse)

Collage of Printing, 1.12.2016; via Wikimedia Commons, gemeinfrei.

Wer ist noch nicht "gedruckt"?
(gesetzt aus vier Dezimen im Format "espinela")


                     Motto:

Kosten kann es Kopf und Kragen,
wer da aufmuckt, wenn er schreibt. -
Lohnt es sich doch einzuklagen:
schwarz auf weiß Gedrucktes bleibt!

 

Jemand hat was mitzuteilen,
doch das liebe Publikum
nimmt schnell Mitgeteiltes krumm –
sollte man das noch beeilen?
Zeigt sich doch nicht nur bisweilen:
Langmut meidet Unbehagen.
Alles kann man nicht vertagen,
schließlich kommt es doch heraus,
nimmt wie vor sich selbst Reißaus –
kosten kann es Kopf und Kragen!

Wer besitzt schon solche Gabe
und zum Worte reiht das Wort,
immer weiter und so fort –
nicht als Angeber-Gehabe.
Erst wenn sich der Geist dran labe,
manches Wort auch hängenbleibt.
Kommt drauf an, wie man's betreibt :
um Ideen zu verfrachten,
gibt es vieles zu beachten,
wer da aufmuckt, wenn er schreibt.

Flüchtig ist selbst gute Rede,
schnell verblasst die schönste Schrift;
was den Inhalt anbetrifft,
da geht gar nichts stante pede!
Ja, da staunst du, alter Schwede,
was man alles könnte wagen!
Aber lass dir eines sagen:
hält man dich für zu gering –
mache das zu deinem Ding.
Lohnt es sich doch einzuklagen.

Willst du, dass umsonst geschrieben,
und geredet in den Wind,
Worte, die doch passend sind
und schon gar nicht untertrieben?
Meutre, dass die Funken stieben,
wer dich auch zum Ducken treibt!
Dass dich keiner einverleibt –
gegen Einflüsse gefeit
braucht dein Werk die Sicherheit:
schwarz auf weiß Gedrucktes bleibt!

© elbwolf (10.10.2021)

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Lit.:
Stummer: Vers, Reim, Strophe, Gedicht, S.109

Die "Glosse" berührt den Herzenswunsch jedes Verfassers – einmal gedruckt zu werden. Und wenn es denn endlich so weit wäre, da haben die Papierfabriken des Landes von Buchdruckpapier auf Verpackungsmaterial umgestellt …

Samstag, 16. Oktober 2021

Sirenengesang

Gustav Wertheimer (1847-1902): Der Kuss der Sirene (1882).
Indianapolis Mus. of Art; via Wikimedia Commons; Liz.: Public domain.

  Sirenengesang


Still ruht die See, still ist die Nacht;
ein Ruderer im Boot –
taucht seine Ruderblätter sacht
ins Wasser, nichts bedroht.
Das Ufer fern, der Himmel weit
so sieht er seine Welt.
Er liebt sie, diese Einsamkeit –
wie auch das Sternenzelt.

Der Mond schenkt Licht, der Mond schaut zu –
das Wasser sich bewegt.
Ein leises Singen bricht die Ruh;
der Mann lauscht angeregt.
Am Bootsrand nun im Mondeslicht
taucht auf ein Fabelwesen
in dessen Aug‘ das Licht sich bricht –
verlockend ist es und erlesen.

Halb zog es ihn; halb sank er hin,
von Armen aufgefangen,
die zärtlich und sehr feminin
um seinen Leib sich schlangen.
Halb zog es ihn – sein Herz schlug wild –
sein Wollen war gebrochen;
vernarrt war er in dieses Bild;
er ließ sich unterjochen.

Still ruht die See, still ist die Nacht
und Stille ist im Kahn.
Das Wasserwesen hat gelacht –
ihm schien es ein Orkan.
Der singt die schönsten Liebesweisen,
die je ein Ohr vernommen
und nahm ihn mit auf weite Reisen –
es gibt kein Wiederkommen.

© Luzie Rudde

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Anm. zum Bild:
Depicts a erotic mythical Siren luring the Sailor to the bottom of the ocean with a passionate kiss.

Montag, 11. Oktober 2021

Böhmische Reise/3: Bei Goethe in Elbogen

"Goethe mit Ulrike von Levetzow",
Denkmal von Heinrich Drake (1903-94), aufgestellt 1975
am Marienbader Goethewanderweg, unweit der Waldquelle.
(via Wikimedia Commons; lizenzfrei)

 

  Bei Goethe in Elbogen *)

/ Knittelverse (4-hebig, paarweise gereimt, nicht-strophisch) /

Die Eger umfließt das Städtchen im Bogen,
die Zeilen der Häuser – am Fluß langgezogen,
sie drängen die Burg auf die felsige Spitze.
Doch das grade macht erst stimmig die Skizze.
Schaut man von oben hinab auf den Flecken,
lässt sich unschwer am Markt ein Haus entdecken
das mit der breiten Aussichtsterrasse
und der Gastlichkeit einer Extraklasse.

Dorthin lädt Herr Goethe nach umsichtger Wahl
die Levetzow-Damen zum festlichen Mahl:
die Mutter, drei Mädchen, er selbst sind die Runde.
Fünf Forellen braten geschlagene Stunde,
doch der Dichter scheint mit Gedanken weit fort,
ein Ja wünscht er sich – der Ältesten Wort:
für Ulrike hat er sich lang schon entschieden,
bisher aber jegliches Aufsehn vermieden.
Trotz Obrigkeitssegen fand leider sein Wollen
die Zustimmung nicht – wie sie doch hätte sollen!

So bleibt die Erinn'rung, und die schon für immer,
als er Böhmen verlässt ohne Hoffnungsschimmer.
Die Schar der Bewerber wird kaum jemand zählen
Ulrike mocht' aber keinen erwählen.
Nachdem sie zum Wohnsitz Schloss Trieblitz sich nimmt
wird ihr Lebensweg nur noch vom Altern bestimmt.

© elbwolf/W.H., 6.5.2016

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*)  Elbogen = Ellenbogen = cz. Lokot

Vom 26. Juni bis zum 11. September 1823 weilte Goethe zu seinem
letzten Aufenthalt in Böhmen. Den 28. August, seinen 74. Geburtstag,
nennt er "Tag des öffentlichen Geheimnisses", nachdem Carl August
diskret und quasi wie ein Brautwerber vergeblich für ihn um Ulrike von
Levetzows Hand angehalten hatte, indirekt natürlich.
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Mit besonderer Freude gebe ich hier den lyrischen Versuch einer Poetessa wieder, mit dem sie den "Genius loci" einzufangen versucht:

Ellenbogen in Böhmen

Alternde Liebe, letzter Rausch der Sinne. –
Auf Wegen klassischer Vergangenheit
Wandere ich durch die Zeit.
Blaue Schleife des Flusses legt sich
Schützend um die Stadt der späten Versuchung.
Geduckte Häuser in engen Straßen
Schauen wissenden Auges auf Szenen,
Die zu Legenden wurden.
Unschuld und Weisheit umtanzten einander
Und scheiterten an den Konventionen.

Ob die Liebe blieb, wissen die Sterne,
Die sich noch immer
In den Wellen der Eger spiegeln.

© L. Winrich (2016)


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*) Zu den Versen s. Stummer: Vers Reim Strophe Gedicht, S. 46

Mittwoch, 6. Oktober 2021

Oktober – ein Monatsbild ... (Sonnenblumen)

Foto-©: die Verfasserin

Sonnenblumen

Die Sonnenblumen an den Straßenrändern
sie drehen ihre Köpfe stets zur Sonne;
für Honigbienen sind sie eine Wonne
und Felder schmücken sie mit hellen Bändern.
Die gelben Körbchenblüten dicht an dicht;
sie leuchten weit ins Land im Sonnenlicht.

Des Abends, wenn die Sonne untergeht,
sich nun die Köpfe gegen Osten wenden;
am frühen Morgen wird die Drehung enden
und alle Köpfe sind zum Licht gedreht;
sie wandern mit der Sonne hin zum Westen,
wenn Vögel singen in des Baumes Ästen.

Schon eine große Sonnenblumenpflanze
vernichtet Kohlendioxid in Mengen;
sie schafft es ohne sich groß anzustrengen,
drum breche ich für sie gern eine Lanze.
Sie braucht das Licht der Sonne so wie wir
und ist in ihrem Umkreis ... Pionier!

© Luzie Rudde

Freitag, 1. Oktober 2021

Unser Gast: Erika Müller-Pöhl mit Buchgrafik/10

 Kalenderblatt Oktober 2021

© Erika Müller-Pöhl – Ill. zu Gottfried Keller: Der schlimm-heilige Vitalis (S. 86)
(aus "Sieben Legenden", Ausgabe Kleine Erbe-Serie im ehem. Greifenverlag zu Rudolstadt, 1975)
Abb.: Die tugendhafte, heiratswillige Jole hört zum ersten und letzten Mal, wie Vitalis Moral predigt  


Anmerkung:
Unseren Gast, die Buchgrafikerin Erika Müller-Pöhl, hat der 'Versbildner-Blog' bereits Mitte Januar vorgestellt – Vita, grafisches Werk, Bibliografie sowie den Buchumschlag zu den beiden Novellen 'Carsten Curator' und 'Der Herr Etatsrat' im I. Quartal 2021 hier gezeigt. Unter ihren buchgrafischen Arbeiten hat Erika-Müller-Pöhl die zur Ausgestaltung von Rainer Hohbergs 'Schachtelhälmchen – Pflanzenmärchen aus aller Welt" besonders liebevoll ausgeführt - hier im II. Quartal gezeigt. Im III. Quartal schmückten unsere Kalenderblätter drei Illustrationen zu J. I. Kraszewskis historischem Roman "Gräfin Cosel".

In diesem Quartal zeigen wir drei Illustrationen zu Gottfried Kellers "Sieben Legenden" in der 'Kleine-Erbe-Serie' des nach 1989 gleich zweimal in die Insolvenz getriebenen Greifenverlags zu Rudolstadt.

Die verwendeten Verse sind solche mit so genannten "einmal frei wiederkehrenden Reimen" (s. Stummer, S. 67), wie sie z. B. Schiller in seinem letzten dramatischen Werk, dem lyrischen Spiel 'Die Huldigung der Künste' (1804) einsetzte oder Nikolaus Lenau im Großgedicht 'Ahasver, der ewige Jude' (1827-31).

/elbwolf al. W.H./

Sonntag, 26. September 2021

Hanebüchene Physik-9: Kaleidoskop (mit Manfred Albert a. G.)

links:Bauplan eines Kaleidoskops; rechts: Antiquarisches Kaleidoskop.
Autor+©: Rnbc (1.7.2021); via Wikimedia Commons; Liz.: CC BY-SA 3.0:


Das Kaleidoskop ist ein optisches Gerät und dient oft als Kinderspielzeug. Schon im antiken Griechenland war es bekannt – sein Name bedeutet "schöne Formen sehen". Nachdem es 2000 Jahre vergessen war, entdeckte es der schottische Physiker Brewster 1816 wieder und ließ es sich ein Jahr später patentieren. Dank seines inneren Aufbaus spiegeln sich eingelagerte bunte Gegenstände mehrfach und machen scheinbar ein symmetrisches farbiges Muster sichtbar, das sich beim Drehen des Geräts um seine Längsachse ändert. [nach Wikipedia]

Sonett auf das Kaleidoskop

Ja, schau hinein in diese kurze Röhre –
du brennst vor Neugier doch, du kleiner Wicht!
Was denkst du, was das ist im Schummerlicht?
Du kennst es nicht? Du weißt es nicht – ich schwöre!

Ist insgesamt so groß wie eine Möhre;
von vorne, hinten und rundum ganz dicht,
wie sehr du wärst aufs Innere erpicht –
du kommst nicht ran, bist eben bloß 'ne Göre!

Und das ist gut, denn vorne drinnen – Scherben,
die sind so bunt als wie ein bunter Hund;
ob warm, ob kalt – sie können nicht verderben.

Doch drehe nun die Röhre manche Stund:
die Bilder, die du siehst, die drehn sich weiter
und du wirst unwillkürlich froh und heiter ...

© Manfred & elbwolf

Die scheinbaren Bewegungen im Kaleidoskop.
Foto+©: Joho345: 13.7.2015; via Wikimedia Commons, Liz.: CC-BY 4.0

Dienstag, 21. September 2021

September – ein Monatsbild ... (Der Admiral)

Foto + ©: die Verfasserin

  
Der Admiral – im Monatsbild
/Akrostichon, zusätzlich gereimt/

E
i
n

A
d
m
i
r
a
l

in Admiral ist ein sehr hohes Tier;
st sich der Wichtigkeit sehr wohl bewusst;
icht immer gut gelitten im Quartier;

uch trägt er manchen Orden an der Brust.
enn in der Tierwelt lebt die Konkurrenz –
it reich verziertem Kleide angetan
n seiner Wirkung zwar par excellence
echt farbenfroh und dennoch filigran.
n Geltung ist er nicht zu überbieten:
eicht ist für ihn die Hoffnung auf Meriten.

 
© Luzie Rudde

Donnerstag, 16. September 2021

Die böhmische Reise/2: Bei Casanova in Dux

Schloss Dux (cz. Duchcov) bei Teplitz/Teplice
mit der Suite Casanovas in der vorderen Hälfte des rechten Seitenflügels.
Foto: 8. Mai 2016; © Der Verfasser.

 
Bei Casanova in Dux
/Akzentverse, kreuzgereimt, 8-zeilig-strophisch 4/3-hebig *)/

"Auch die schönste Frau
ist an den Füßen zu Ende!"
Giacomo Casanova

 
Schon früh treten Frauen in Giacomos Leben –
das hat ihn wohl kaum überrascht:
seine Neugier lässt Frauen erwartungsvoll beben,
und er hat bald von allem genascht.
Tête-à-Têtes sind natürlich anfangs zu zweien,
doch das Glück scheint bei Weitem ihm hold –
geselliger ist es nämlich zu dreien,
wenn kein Drittes den andren zwei grollt.

Fast jedes Geschäft ist Giacomo recht,
um das nötige Geld zu beschaffen;
er wetzt den Schnabel, klopft wie ein Specht,
verdingt sich seriös und bei Laffen.
Er ist zwar Abbé, doch noch lieber ein Ritter,
überbringt öfters Briefchen der Liebe;
mal ist er in Freiheit, kommt dann hinter Gitter,
denn Gelegenheit macht ja erst Diebe.

Ob geheim, zivil oder sonst wie privat,
Diplomat gar im Dienste der Obern –
egal wie ein Auftrag auch delikat,
auf Dauer geht nichts zu erobern.
Dann vertreibt Signorie, der mächtige Rat,
Casanova noch ganz aus Venedig
und erlaubt seine Rückkehr, um die er bat,
als er fast allen Mutes schon ledig.

Was nun folgt, füllt mehr als ein ganzes Jahrzehnt.
Er verwendet die Zeit, um die Dinge
in Bahnen zu lenken, wie er sie ersehnt,
doch das Schicksal schnürt spürbar die Schlinge.
Die Gönner knausern mit noblen Spenden;
die Cliquen und Zirkel verwaisen;
die eigne Gesundheit verweigert Bewenden,
und mühevoll wird es zu reisen.

Die Lage droht schließlich noch ganz zu entgleiten,
da bringt ihm Graf Waldsteins Gebot,
die Bibliothek auf Schloss Dux zu leiten,
Erlösung aus fühlbarer Not.
Casanova begibt sich dann auch gegen Ende
des Jahrs fünfundachtzig nach Dux –
für den Lebemann wird es abermals Wende,
denn er sah die Provinz nur als Crux.

Unermüdlich verleiht er dem böhmischen Flecken
den Abglanz der ganz großen Welt;
auch Frauen gelingt ihm erneut zu entdecken,
erscheint manchmal einer als Held.
Dann schreibt er ein Buch, wie dereinst er entfloh
den Bleikammer-Kerkern des Dogen –
und dem anfangs nur schnorrenden Holdrio
erschallen im Umkreis Elogen!

Graf Waldstein hat nun einen Autor zu Gast,
an dem ihn die Nachwelt gemessen;
der ist zwar noch immer für ihn eine Last,
doch vom Schreiben jetzt gleichsam besessen.
Casanova füllt an die viertausend Seiten
denn so vielfältig bunt war sein Leben.
Dann darf auch die Feder dem Schreiber entgleiten –
solch Bericht wird es niemals mehr geben.

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Auf Schloss Dux (cz. Duchcov) wird in den Sessel, in dem Casanova
am 4. Juni 1798 verschied, täglich eine frische Rose gelegt.

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*) Zu den Versen s. Stummer: Vers Reim Strophe Gedicht, S. 45/46