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Gustav Wertheimer
(1847-1902): Der Kuss der Sirene (1882). Indianapolis Mus. of Art; via Wikimedia Commons; Liz.: Public domain. |
Sirenengesang
Still ruht die See, still ist die Nacht;
ein Ruderer im Boot –
taucht seine Ruderblätter sacht
ins Wasser, nichts bedroht.
Das Ufer fern, der Himmel weit
so sieht er seine Welt.
Er liebt sie, diese Einsamkeit –
wie auch das Sternenzelt.
Der Mond schenkt Licht, der Mond schaut zu –
das Wasser sich bewegt.
Ein leises Singen bricht die Ruh;
der Mann lauscht angeregt.
Am Bootsrand nun im Mondeslicht
taucht auf ein Fabelwesen
in dessen Aug‘ das Licht sich bricht –
verlockend ist es und erlesen.
Halb zog es ihn; halb sank er hin,
von Armen aufgefangen,
die zärtlich und sehr feminin
um seinen Leib sich schlangen.
Halb zog es ihn – sein Herz schlug wild –
sein Wollen war gebrochen;
vernarrt war er in dieses Bild;
er ließ sich unterjochen.
Still ruht die See, still ist die Nacht
und Stille ist im Kahn.
Das Wasserwesen hat gelacht –
ihm schien es ein Orkan.
Der singt die schönsten Liebesweisen,
die je ein Ohr vernommen
und nahm ihn mit auf weite Reisen –
es gibt kein Wiederkommen.
© Luzie Rudde
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Anm. zum Bild:
Depicts a erotic mythical Siren luring the Sailor to the
bottom of the ocean with a passionate kiss.
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