Hier schreiben Hobbydichter für Lyrik-Freunde – meist Gereimtes und nur Druckreifes! Willkommen also, viel Vergnügen mit unseren Gedichten und deren Bebilderung!

Aufrufe unseres Blogs erfolgen automatisch mit Sicherheitsprotokoll "https". Am 18. Mai 2022 hatten wir unseren 600. Beitrag in den Blog gestellt!

Bereits seit Jahresbeginn bringen wir neue Folgen an Kalenderblättern und Monatsbildern. Darum herum dann das, was sich an Einfällen so ergibt – man wird sehen! Nun ja, was man auch sieht: wir "unterschlagen" seit einer ganzen Weile auch einen gewissen Anteil an sanfter Erotik nicht länger - die Zeiten sind eben so ...

Wir teilen den Lesern unseres Versbildners mit und bitten um Verständnis, dass wir auch weiterhin das monatliche Angebot auf 6 Beiträge beschränken - die Kontaktarmut dieser Zeit bringt leider auch eine gewisse Ideenarmut mit sich. Neueinstellungen erfolgen damit um die Kalendertage des 1., 6., 11., 16./17., 21./22., 25.-27. eines Monats.

Samstag, 26. Juni 2021

Hanebüchene Physik-6: Operatoren (Teamwork)

©: Dr. Klaus Retzlaff; 22.04.2006, via Wikimedia Commons; Liz.: CC BY-SA 3.0
"Ein Kind rechnet mit den Fingern
oder eine Rechenoperation verknüpft Objekte mit einem Operator."

Die Physiker, wie wir (Nichtphysiker!) sie uns vorstellen, scheinen sich vornehmlich zwei großen Tätigkeitsfeldern zu widmen. Zum einen äußern sie "Vermutungen", die oft rein spekulativ sind, von ihnen aber Hypothesen genannt und sofort zu Theorien ausgewalzt werden. Zum andere versuchen sie, mittels raffinierter Messungen diese Theorien zu bestätigen oder zumindest zu stützen oder … zu widerlegen – und sei's auch nur in einem einzigen, also singulären Fall, womit die zugrunde liegende Hypothese … wie sagen wir's … "notgeschlachtet" wäre. Dann beginnt sich das Karussell erneut zu drehen und sorgt dafür, dass die Physiker nie ohne Beschäftigung sind.

 

Die Physiker sind nicht die großen Kinder,
        sie sind eher die allergrößtmöglichen
!

Der Physiker fühlt sich wie neugeboren,
wenn er die Trampelpfade liegen lässt –
da bleibt kein Rechenvorgang ungeschoren
und jede Hausnummer ist ihm ein Fest.
Er findet das erstrebte Hochgefühl
am Ende dann im eigenen Kalkül!

Der geht rasant und kennt nicht seinesgleichen,
der will die "Butter bei die Fische tun":
die alten Rechenkladden müssen weichen,
nur noch die neuen sind jetzt opportun.
Wer aber auf Erfolge spekuliert,
hat sich bestimmt schon mal verkalkuliert ...

Da macht es schon der Knirps hier an der Tafel
doch ziemlich gut und kommt zum Resultat;
er rechnet nicht mit Quarks und solch Geschwafel –
er "operiert", wie ihn der Lehrer bat,
verkündet stolz und ohne sich zu scheun:
"Als Summe habe ich genau die Neun!"

© Teamwork (Manfred Albert & elbwolf/W.H.)

 

Als Zugabe
wollen wir und ein paar Überlegungen zu den Daten anstellen, die die Physiker in unvorstellbarer Anzahl gewinnen. Und wir unterschlagen bewusst die "mess-system-bezogenen Anhängsel" dieser Daten ("Dimension") und bleiben bei den reinen Maßzahlen, benennen aber den Vorgang, bei dem sie anfallen.

Angenommen, wir messen zwei verschiedene Wegabschnitte mit den Maßzahlen a und b aus und heften ihnen diese beiden Zahlen wie zwei Erkennungszeichen an (es sind die "Parameterwerte"). Nun ermitteln wir die Gesamtlänge, wenn man b an a anlegt oder a an b. Dabei verwenden wir das Additionszeichen als "Operator" zwischen den Parameterwerten, die als Operanden auftreten:
         a + b = b + a       (d. h. die Operanden sind vertauschbar!)
Die Fläche eines rechtwinkligen Vierecks mit den anliegenden Seiten a, b oder b, a beschreibt man mit dem Multiplikationszeichen als Operator:
         a х b = b х a        (d. h. die Operanden sind vertauschbar!)
Den Rest einer Verminderung von a um b erhält man mit dem Operator -
         a – b                    (die Operanden sind nicht vertauschbar!)
Die "restlose" Aufteilung von a auf b erhält man mit dem Operator /  
         a / b                     (die Operanden sind nicht vertauschbar!)
Neben diesen so genannten "zweistelligen" Operatoren gibt es auch "einstellige", von denen das Wurzelziehen erwähnt sei:
         √a     (bezieht sich auf den unmittelbar folgenden Operanden)
         √(a + b)  (mit Klammern wird die "Reichweite" von √ festgelegt).

Damit dürften viele Laien bereits bedient sein – nicht so die Physiker! Die möchten nicht nur mit den Maßzahlen rechnen, nein, auch mit den Operatoren selbst. Und da ihnen dafür zu wenig typografische Zeichen zur Verfügung stehen, erfinden sie welche oder sie definieren sich "Super-Operatoren". Und das geht so, obwohl es hier nur an ziemlich kindischen Beispielen gezeigt werden kann:
         bino1 ≡ a
х a + b х b
         bino2 ≡ (a + b)
х (a – b) ≡ a х a - b х b
         bino3 ≡ (a + b)
х (a + b) ≡ a х a + 2 x a х b + b х b
Diese letztere Formel würde die hanebüchene Physik nun so schreiben:
         a bino3 b ≡ a bino1 b + 2 x a
х b
Vorrang- oder Prioritätenregeln bewirken die korrekte Abarbeitung.

Damit sind wir auch hier am Ende aller Fahnenstangen für Laien, aber auf eine Verknüpfung mit den Zahlenfolgen ("Progressionen") wollen wir noch hinweisen.
Sei "op" ein Operator mit zwei Operanden, der folgendes leistet:
         a op b ≡ a
х b - b ≡ (a - 1) х b      (**)
Wir betrachten die Ergebniswerte, die dieser op nacheinander für folgende Parameterwerte a,b liefert:
a,b:        3,0    4,1    5,2    6,3    7,4    8,5    9,6    10,7    11,8    12,9
a op b:     0       3       8      15     24     35     48      63       80       99
Zwischen Nachbar-Ergebnissen geben wir die Differenz des Anstiegs an:
Differenz:     3        5       7       9      11     13     15       17      19
Und mittig zwischen den Differenzen geben wir deren Anstieg an:
Diff. der Diff's;   2       2       2       2        2       2        2         2

Wie führt man uns "Laien" nun auf den Leim? Man verwendet einen Elementar-Operator, gaukelt uns aber solche "Rechnungen" vor:
         11 + 8  → 80    oder, ähnlich behämmert,   11
х
8  → 80
In Wirklichkeit sind das Operatoren, die "semantisch überfrachtet" wurden, und zwar wie hier oben in (**), so dass korrekt zu notieren wäre:
         11 op 8 = 80 bei Gültigkeit der Definition für op wie in (**).

Montag, 21. Juni 2021

Juni - Ein Monatsbild: Zwei Limericks auf die Blumenpracht

Frühsommer-Blüher am Haus – Salbei und Rote Schafgarbe, neben anderen;
Foto-©: die Verfasserin


 
Zwei Limericks auf die Blumenpracht
 

Hier blüht sie noch leuchtend am Hause,
die Blaue Salbei – kein Banause
         erhält je Pardon,
         der Hustenbonbon
verschmäht und vertauscht gegen Brause.

Die Schafgarbe gleich welcher Färbung,
die bleibt sich nicht treu bei Vererbung.
         Nur eins ist ihr wichtig
         und bleibt immer richtig:
sie sieht sich so gern in der Werbung.

© lillii (Luzie-R)

Mittwoch, 16. Juni 2021

Zärtlichkeit

Giovanni Dall'Orto: "Una carezza lieve" – "Zärtliche Berührung"
Foto: 05.08.2012; via Wikimedia Commons; lizenzfrei verwendbar.


Zärtlichkeit

Der, dem ich sie gab,
kannte sie nicht.
Der, der sie nicht kannte,
schätzte sie nicht.
Der, der sie nicht schätzte,
wies sie ab.
Der, der sie abwies,
klagt über den Verlust.

Ich baute Mauern
aus abgestorbenen Gesten,
verdorrten Gefühlen,
kränkenden Worten
und halte sie geschlossen.

Ich bin nicht mehr
verletzbar.

© L. Winrich (a. G.)

-----------------------------------------------------------
Anmerkung:
Dieses Gedicht überließ die Verfasserin unserem Blog als Zugabe zu ihren Beiträgen in den Monaten März, April und Mai.

Freitag, 11. Juni 2021

"Nur zum Schein" – Liebessonett, aus dem brasilianischen Portugiesisch

Foto Dan Carp: Sunrise Lovers (07.05.2018)
via Wikimedia Commons; Liz.: CC BY-SA 4.0

 

Zum Dichter und seinen Versen:

Das originale Sonett "Por Decoro" ist ein Jugendwerk des späteren brasilianischen Dramatikers, Journalisten, Kurzgeschichtenschreibers und Dichters Artur Azevedo (1855-1908). Er veröffentlichte es mit 21 Jahren in seinem Bändchen "Sonetos". Danach ging es offenbar nur noch in die Anthologie "Einhundert der besten brasilianischen Sonette" ein (1951, 3. Aufl.), die kaum bis nach Europa gelangte Und das, obwohl es mit dem portugiesischen Nationaldichter Luís de Camões (1524-79) das Vorbild eines herausragenden Sonettschreibers in dieser Sprachgruppe gibt (Ibü 264). Und dann, weil Azevedo zu den 40 Gründern der 1897 ins Leben gerufenen ABL (Academia Brasileira de Letras) gehörte, die sich die Académie française zum Vorbild nahm und heute als höchste Instanz für das brasilianische Portugiesisch gilt.
Azevedos Sonett ist intim und romantisch zugleich. Der Dichter rät seiner Geliebten für den Fall, sie könne auch in der Öffentlichkeit ihre Gefühle für ihn nicht im Zaum halten, doch wenigstens die Augen zu verbergen – hinter einem Rebenblatt ...
Die Probleme einer Übertragung fremdsprachiger Lyrik beginnen oft mit den Titeln … wie hier auch. Um den deutschen Leser nicht zu verblüffen, steht hier nicht "Als Dekor/Dekoration" oder populär "Tun als ob", sondern das, was der Dichter wirklich gemeint hat: "Nur zum Schein". Azevedos Reimschema "abba abba cde cde" (mit der schwächsten Reimung in den Terzetten – jeweils erst in der dritten Folgezeile!) bleibt erhalten. Dagegen ist der trochäische Rhythmus auf die seinerzeit für Sonette in Deutsch schon eingeforderten fünffüßigen Jamben umgestellt.

 

Artur Azevedo (1855-1908):

Por Decoro
(1876)

Quando me esperas, palpitando amores,
e os lábios grossos e úmidos me estendes,
e do teu corpo cálido desprendes
desconhecido olor de estranhas flores;

quando, toda suspiros e fervores,
nesta prisão de músculos te prendes,
e aos meus beijos de sátiro te rendes,
furtando às rosas as purpúreas cores;

os olhos teus, inexpressivamente,
entrefechados, lânguidos, tranquilos,
olham, meu doce amor, de tal maneira,

que, se olhassem assim, publicamente,
deveria, perdoa-me, cobri-los
uma discreta folha de parreira.


Nur zum Schein

Wenn vor Erwartung du schon bebst, mein Leben,
mir deine Lippen bietest, feucht und prall,
dein warmer Leib verströmt in vollem Schwall
die Düfte fremder Blüten – macht mich schweben;

wenn Seufzer deine Leidenschaft erheben,
die du nicht mehr verbirgst durch einen Wall,
wenn Satyrs Küsse finden Widerhall
und Rosen ihres Purpurs sich begeben;

und deine Augen ausdruckslos erscheinen,
nur träge, ruhig, einen Spaltbreit offen,
wenn alles dies, mein Lieb, du zeigen wolltest

vor Leuten. Würden die noch Gutes meinen?
Nur falls die Augen du – verzeih! will's hoffen –
diskret mit einem Weinblatt decken solltest.

© W. Herrmann (10.06.2021), für die freie
Übertragung aus dem brasilianischen Portugiesisch

- -----------------------------------------------------------------
Links:
Die Biografie des Dichters            Das Sonett Por Decoro

Sonntag, 6. Juni 2021

Der Vagant

Lore Friedrich Gronau (1908-2002): "Otto von Botenlauben“ als Minnesänger (1965).
- Botenlauben-Brunnen auf dem Marktplatz von Bad Kissingen -
Foto: S. v. Dobschütz, 1.7.2007; via Wikimedia Commons; Liz.: CC BY-SA 3.0

Der Vagant

Vagant bin ich und auf der Walz
von einem Ort zum andern,
ob Rheinland, Bayern oder Pfalz;
ich werde es erwandern.

Ich schau mich um im ganzen Land;
und schmiede meine Lieder.
Ich singe froh: "Bin ein Vagant,
komm alle Jahre wieder."

Noch kürzlich sang ich Vater Rhein
mein Liedchen laut und munter.
Spendiert ward mir ein Gläschen Wein,
ich schluckte es hinunter.

Das erste Glas war ein Genuss,
es folgte noch das zweite;
ein drittes, dieses ward zum Muss,
dann brauchte ich Geleite.

Nun sang ich laut: "Ich hab den Rhein
in seinem Bett gesehen."
Zum Schlafen lud die Bank mich ein,
sah sie am Ufer stehen.

Am Morgen machte ich mich auf
zur nächsten Promenade.
Nach einem kurzen Dauerlauf
nahm ich im Rhein ein Bade.

Erfrischt zog weiter ich durchs Land,
ich armer kleiner Zecher –
war's gern und bliebe wohl Vagant,
wenn schon kein Herzensbrecher.

© Luzie Rudde – Vagantin in spe

Dienstag, 1. Juni 2021

Unser Gast: Erika Müller-Pöhl mit Buchgrafik/6

© Erika Müller-Pöhl: Illustration zu R. Hohberg: 'Der Birnbaum und der Tod';
aus: Schachtelhälmchen – Pflanzenmärchen aus aller Welt, ehem. Postreiter-Vlg, 1987; S. 104-13.


Anmerkung:
Unseren Gast, die Buchgrafikerin Erika Müller-Pöhl, hat der 'Versbildner-Blog' bereits Mitte Januar vorgestellt – Vita, grafisches Werk, Bibliografie sowie den Buchumschlag zu den beiden Novellen 'Carsten Curator' und 'Der Herr Etatsrat', im I. Quartal 2021 hier gezeigt.

Unter ihren buchgrafischen Arbeiten hat Erika-Müller-Pöhl die zur Ausgestaltung von Rainer Hohbergs 'Schachtelhälmchen – Pflanzenmärchen aus aller Welt" besonders liebe­voll ausgeführt und ihnen auch hier unter den Kalenderblättern einen größeren Raum ein­räumen wollen. Sintemal (um mal ein der Vergangenheit verhaftetes Wort zu gebrauchen) es sich um eine Edition des Hallenser Postreiter Verlags handelte, der noch 1994 – wie zum Hohn – mit dem Kinderbuchverlag "fusionierte", ehe er gänzlich verschwand.

Die dritte Illustration in diesem Quartal gehört zur Geschichte um den Birnbaum und den Tod. Dieses Märchen ist im rumänischen Märchenschatz zu Hause, gehört aber in ähnlicher Form zu den Märchen-erzählungen auch anderer Völker.

/elbwolf al. W.H./