Hier schreiben Hobbydichter für Lyrik-Freunde – meist Gereimtes und nur Druckreifes! Willkommen also, viel Vergnügen mit unseren Gedichten und deren Bebilderung!

Aufrufe unseres Blogs erfolgen automatisch mit Sicherheitsprotokoll "https". Am 18. Mai 2022 hatten wir unseren 600. Beitrag in den Blog gestellt!

Bereits seit Jahresbeginn bringen wir neue Folgen an Kalenderblättern und Monatsbildern. Darum herum dann das, was sich an Einfällen so ergibt – man wird sehen! Nun ja, was man auch sieht: wir "unterschlagen" seit einer ganzen Weile auch einen gewissen Anteil an sanfter Erotik nicht länger - die Zeiten sind eben so ...

Wir teilen den Lesern unseres Versbildners mit und bitten um Verständnis, dass wir auch weiterhin das monatliche Angebot auf 6 Beiträge beschränken - die Kontaktarmut dieser Zeit bringt leider auch eine gewisse Ideenarmut mit sich. Neueinstellungen erfolgen damit um die Kalendertage des 1., 6., 11., 16./17., 21./22., 25.-27. eines Monats.

Montag, 28. Dezember 2020

Tierkreiszeichen/12: Steinbock – Teamwork

 Als wir zur Verabschiedung des alten Jahres schon einmal ein solches Bilder-Tableau entwarfen – und zwar zum doppelgesichtigen Janus – entstand der Gedanke, es monatlich über ein Jahr hinweg mit den Tierkreiszeichen genauso zu versuchen und mit einem "Ulk"-Horoskop zu verbinden. Zudem fiel uns auf, dass von den zwölf Tierkreiszeichen die Mehrzahl (nämlich acht) ohne weibliches Pendant sind, die Jungfrau unbemannt ist, die letzten drei dagegen (modern aufgefasst) geradezu divers wirken. Hier haben wir es mit "Steinbock & Steingeiß" zu tun. Augenzwinkernd also nix mit Steinbock*innen – von wegen!


Steinbock / Capricornus
vom 21.12.2020 ← gültig → bis 19.01.2021
(Zeitraum des scheinbaren Sonnendurchgangs)


In Zusammenhang mit diesen Bildern verwundert die Nachricht nicht,
dass im OLYMP über die Ernennung einer*s Gleichstellungsbeauftragti*en
nachgedacht wird, lässt doch das mürrische Bild (links vom Betrachter)
die Einführung einer weiblichen Quote unter den Sternbildern (s. rechtes Bild!)
dringend notwendig escheinen
(Zuschnitt und Vorhandensein überhaupt der Höschen werden z. Z. heftig debattiert)

 

Stein-Bock und -Geiß

Der Steinbock schätzt die Qualität, die zeitlos ist.
Sein Stil ist klassisch und von kühlem Touch,
und seine Pflicht er nirgendwo vergisst.
Er ist kein Freund von ausgelassnem Quatsch

Als Realist ist er belastbar, bodenständig –
das lässt ihn oft sehr unnahbar erscheinen:
den einen geduldig, gradlinig und wendig.
den anderen steif, ungesellig, stur – wie eben meinen.

Ist doch Verantwortung manchmal recht trocken –
wir haben gar nichts gegen diesen Bocken.

Viel weniger noch hätten wir gegen all die heißen
und den Bocken zugeordneten Steingeißen!

© Manfred Albert a. G.                

 

© Manfred Albert a. G.: originale PC-Grafiken, 12/2020

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Quellen zu den Bildern im Steinbock-Tableau ganz oben
(sämtlich lizenziert und via Wikimedia Commons):
links: Sternbild des Steinbocks, Foto: Till Credner, 17.07.2004; © CC BY-SA 3.0.
oben: am linken Portal der Kathedrale von Amiens; Foto: Vassil, 18.04.2007.
unten: Book of Hours, the Fastolf Master, Bodleian Library, Oxford, ~ 1440-1450.
rechts: Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz; Faltkalender ~1400

Die PC-Grafiken wurden vom Autor mit einem eigenen Grafikprogramm erstellt.

Freitag, 25. Dezember 2020

Ein Fingerzeig

Gottes Hand und die Hand Adams.
Michelangelo: Die Erschaffung Adams (Detail), Sixtinische Kapelle, Vatikan.
(via Wikimedia Commons; gemeinfrei)


Ein Fingerzeig

Der Mensch, er denkt mit einfachem Verstand,
dass Gott die Welt erschuf mit eigner Hand.
So wie im großen Buche aufgeschrieben;
samt Auftrag, dafür unsern Herrn zu lieben.
Es heißt: "Macht euch die Erde untertan" –
wirft das nicht manch Gemüt schon aus der Bahn?

Nie ein Verzicht, nie anderes Entgelt –
was haben wir verschuldet an der Welt!
Lasst uns zuerst die Ansprüche vermindern:
das schon allein wird Ungerechtes lindern.
Gott weist uns, wo am größten ist die Not;
in seinem Namen helfen – sein Gebot!

lillii (Luzie-R.; Münsterland, 25.12.2020)

Montag, 21. Dezember 2020

Kehraus bei den eigenen Versen

 Kehraus bei den eigenen Versen

 Liebe Leser dieser (und ich meine damit eingeschränkt – meiner eigenen) Verse!

Es war das Corona-Jahr "2020", das mit der Impfmöglichkeit nun doch noch auf das Licht am Ende des Tunnels zuzugehen scheint. Da wird man schon einmal zurückschauen dürfen, was trotz allem geworden ist.

 Diese Rückschau ist für mich umso mehr angezeigt, als ich nach 14 Jahren Mitgliedschaften in vier verschiedenen Communitys mich wieder zum "Single" gemacht habe. All die Gängelei, alles Unverständnis von Seiten der "Administratoren und Administratorinnen" liegt hinter mir. Ich versuche nun, meine immer umsichtig bewahrten Texte auf die Reihe zu bringen.

Und dabei den Leitspruch dieser Gemeinschaften,

"Spaß – nicht Versmaß!"

wieder vom Kopf auf die Füße zu stellen, wie ich es stets gehalten habe:

→ Versmaß – macht erst richtig Spaß! ←

Das Vorhaben ist, meine eigenen Beiträge nach drei Themenkreisen zu ordnen – und damit den unterschiedlichen Kenntnissen von Lesern entgegenzukommen. Sie möchten vielleicht selber produktiv sein oder werden, aber ihren bislang mehr intuitiven Umgang mit der Lyrik beibehalten und durch Möglichkeiten des Vergleichens lieber sicherer werden.
Entsprechend sollen diese drei Gebiete umfassen:

● Nonsens, Scherz und Spaß
● Wege zu großen Strophen
● Erato's Reich – Erotik, Lust und Liebe.

Ganz oben zeigt das heutige Titelbild meine Vision zum Teil-1 mit dem Kopfschmuck für das Kapitel der Vierzeiler-Epigramme. Und hier drunter folgen einige Verse, die bislang unter den Tisch gefallen sind oder gerade erst entstanden.

Klapphornverse

Zwei Knaben gingen durch das Korn,
der hintre träumt, er ginge vorn,
doch vorn ging schon der erste
und nicht durch Korn – durch Gerste!

Zwei Mädchen reichte das Geklingel –
sie machten schon zu lang auf 'Single'!
Sich mal per Agentur verlieben ...
so sind sie 'Singles' auch geblieben.

Es lebt – fest angestellt – hienieden
ein Kroko bei den Pyramiden.
Dort frisst es alle die Besucher,
die Eintrittspreise fanden Wucher.

 Leierkastenverse

  Hoffnungsloser Fall 

Ziel gut auf mich und triff,
denn das lohnt nämlich immer!
Ich krieg nichts in den Griff –
bin eben Trockenschwimmer.
Gesellschaftlichen Schliff
verpasste mir kein Trimmer;
selbst nach dem letzten Pfiff
hab ich noch keinen Schimmer …


Epigramm


Limerick




 
 
 
 
 
 
 

 
 
 
 
 
 
 
Allen Lesern ein friedliches Weihnachten 2020 – elbwolf

Donnerstag, 17. Dezember 2020

Monatsbild Dezember mit "La Belle Jardinière"

 

Eugène Grasset (1845-1917): Monatsbild Dezember ("La Belle Jardinière", 1896)
via Wikimedia Commons; gemeinfrei

 

   Monatsbild Dezember mit der

'Belle Jardinière' von Eugène Grasset

Dezember schließt den langen Jahreskreis.
Die Abendsonne, die den Nebel bricht,
lässt Wintermücken tanzen noch im Licht.
Bald färbt der Frost den Strauch und Rasen weiß.

Nach Beeren suchen Krähen – ein Beweis,
dass auch aus jeder jetzt schon Hunger spricht.
Kein Wesen übt mit Absicht den Verzicht:
Behaglichkeit – die gibt es nur nach Fleiß.

Natur muss einen langen Winter ruhn,
um frisch gestärkt im Frühjahr zu erwachen,
wenn Sonne wieder wärmt und Kinder lachen.

Die Gärtnerin hat nicht so viel zu tun –
rasch ist gesorgt für Ordnung nun im Garten.
Die Zeit ist da, den Winter zu erwarten.

© lillii (Luzie-R.)

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Zum Künstler:
Eugène Samuel Grasset (* 25. Mai 1845 in Lausanne; † 23. Oktober 1917 in Sceaux bei Paris) war ein schweizerisch-französischer Bildhauer, Maler und Illustrator der Belle Époque und Wegbereiter des Jugendstils. Seine grafische Serie "Die Schöne Gärtnerin" war ein Welterfolg.

Mittwoch, 9. Dezember 2020

Glücksritter – À la Theodor Fontane

Esther Patterson (1892-1971; Australien): Paradiesvogel (1918).
Buchgrafik; via Wikimedia Commons; Liz.: gemeinfrei.

 

Glücksritter – À la Fontane
/mit einer kompletten Strophe aus
"Das Glück" von Theodor Fontane/

(1)
Du würdest eine Frau gern kennen,
die dir all ihre Liebe schenkt –
du könntest schnell für sie entbrennen,
doch fühlst dich seltsam abgelenkt.

(2)
Ob dein Gefühl auf Dauer hielte,
so fällt dir bei – und bist verblüfft!
Denn müßig wäre, falls sie spielte …     
was ist Gefühl doch ein Geklüft!

(3)
Das Glück, kein Reiter wird's erjagen,
es ist nicht dort, es ist nicht hier;
lern überwinden, lern entsagen,
und ungeahnt erblüht es dir.

(4)
So bist ein Ritter du am Ende,
hast sorgsam den Triumph gefügt.
Gib nun dein Glück in Frauenhände –
sie gibt zurück, dass dir's genügt.

© elbwolf (W.H., ausgenommen die Fontane-Strophe)
22.10.2020

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Kleiner Scherz:
Eine der vier Strophen ist bis aufs i-Tüpfelchen genau bei Theodor Fontane (1819 - 1890) entliehen – aber welche? Nun ... diese hier!

Samstag, 5. Dezember 2020

Henri's Paris

Gemalt von der Verfasserin nach der Vorlage von
Henri de Toulouse-Lautrec's 'Divan Japonais' *)


Henri's Paris


Henri Toulouse-Lautrec, von altem Adel,
verfiel schon früh der Kunst der Malerei;
er setzte manch brillantes Konterfei
ins Bild, und das ohn' jeden Fehl und Tadel.
Als Mann war er von kleinerer Statur;
bestand mit Mühe nur sein Abitur …

Bekannt als Bohemien Pariser Szene,
bevorzugt er Motive dieser Kreise;
bannt auf Plakate so auf seine Weise,
in seinem Stil, manch weibliche Sirene.
Dem Alkohol hat er sich schnell verschrieben;
Es tut nicht gut, den allzu sehr zu lieben.

Nur kurz gelebt, doch in der Welt bekannt,
zeigt er ein Bild der legendären Zeit;
den Menschen in der Unbekümmertheit
hat er in seinen Bildnissen erkannt. –
Mein Bild ist schwache Wiederholung nur:
gelehnt an ihn, verfolgt' ich seine Spur.

© Luzie-R.

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*) Henri de Toulouse-Lautrec (1864-1901) war ein französischer Maler und Grafiker des Post-Impressionismus im ausgehenden 19. Jh. Berühmt wurde er insbesondere für seine Plakate, die er u. a. für das 'Moulin Rouge' am Pariser Montmartre entwarf.
Das Original von 'Divan Japonais' befindet sich im Besitz des Museo Nacional de Belles Artes, Argentinien. [nach Wikipedia & Wikimedia Commons]

Dienstag, 1. Dezember 2020

Kalenderblatt 12/2020 - Der Maler Paul Poetzsch

Paul Poetzsch (1858-1936)           Mieders in Tirol (Stubaital), 1900

 


   ↑ Bild: via Wikimedia Commons                                                               ↑ © Text: W. Herrmann

 Hinweis

Dieses Bild beschließt unsere Jahresreihe an Kalenderblättern
 mit Wiedergaben von Bildern des Dresdener Malers Paul Poetzsch,
die bis auf das August- und das Dezemberbild sonst in Bezug auf
  ©-Fragen vollumfänglich bei Herrn Lutz Käubler, Dresden, liegen.
Diese letzte Wiedergabe hier geschieht via Wikimedia Commons
und basiert auf dem Status "Public Domain".


Kalenderblatt 12/2020 - Der Maler Paul Poetzsch
Paul Poetzsch (1858-1936)
Mieders in Tirol (Stubaital), 1900

Samstag, 28. November 2020

Tierkreiszeichen/11: Schütze – Teamwork

Als wir zur Verabschiedung des alten Jahres schon einmal ein solches Bilder-Tableau entwarfen – und zwar zum doppelgesichtigen Janus – entstand der Gedanke, es monatlich über ein Jahr hinweg mit den Tierkreiszeichen genauso zu versuchen und mit einem "Ulk"-Horoskop zu verbinden. Zudem fiel uns auf, dass von den zwölf Tierkreiszeichen die Mehrzahl (nämlich acht) ohne weibliches Pendant sind, die Jungfrau unbemannt ist, die letzten drei dagegen (modern aufgefasst) geradezu divers wirken. Hier haben wir es mit "Schütze/Schützin" zu tun. Augenzwinkernd also mit Schütz*innen!

Schütze / Sagittarius
vom 23.11.2020 ← gültig → bis 20.12.2020

(Zeitraum des scheinbaren Sonnendurchgangs) 



  Schütz*innen

Schütze-Geborene sind Optimisten.
Ehrlich, dynamisch und zielstrebig meist.
Selbst Toleranz ist da mit aufzulisten,
die ihnen Wege im Leben verheißt.

© Manfred Albert a. G.                

"Wer mag denn nur der Schütze sein in dieser hohlen Gasse?"
© Manfred Albert a. G.: originale PC-Grafik, 10/2020

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Quellen zu den Bildern im Schütze-Tableau ganz oben 
(sämtlich lizenziert und via Wikimedia Commons):
links: Sternbild des Schützen, Foto: Till Credner, 17.08.2004; © CC BY-SA 3.0.
oben: am linken Portal der Kathedrale von Amiens; Foto: Vassil, 18.04.2007.
unten: Book of Hours, the Fastolf Master, Bodleian Library, Oxford, ~ 1440-1450.
rechts: Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz; Faltkalender ~1400

Die PC-Grafiken wurden vom Autor mit einem eigenen Grafikprogramm erstellt.

Dienstag, 24. November 2020

Graue Tage

John Atkinson Grimshaw (1836-93; Leeds): November (1879);
Foto: Christie's (2010); via Wikimedia Commons; gemeinfrei.

 Graue Tage

Die grauen Tage haben ihren Charme:
verwischte Bilder in der Dämm'rung sehen,
wenn letzte Blätter von den Zweigen wehen –
so zeigt der Herbst uns seinen langen Arm.

Im letzten Licht tanzt noch ein Mückenschwarm;
ihm fehlt Bezug zu jeglichem Geschehen.
Ich seh den Mond beim Spiegeln sich ergehen –
Dank, dass die Pfütze seiner sich erbarm!

Am Horizont die letzten Sonnenstrahlen
bewirken einen rosaroten Schimmer,
um gegen Mondeslicht damit zu prahlen.

Die nasse Straße überzieht ein Glimmer:
fantastisch; traumhaft; überraschend schön –
so möchte ich die grauen Tage sehn.

© lillii  (Luzie-R)

Samstag, 21. November 2020

Bekämest du ein zweites Leben … /Sonett/

Holzschnitt aus Camille Flammarion: L'Atmosphere - Météorologie Populaire (1888).
col.: Heikenwaelder Hugo, Wien 1998; via Wikimedia Commons; Liz.: CC BY-SA 2.5.

 

Betrachtung der Zeit
Mein sind die Jahre nicht, die mir die Zeit genommen;
Mein sind die Jahre nicht, die etwa möchten kommen;
Der Augenblick ist mein, und nehm ich den in acht,
So ist der mein, der Jahr und Ewigkeit gemacht.

Andreas Gryphius (publiziert p. m. 1698)

 

  Bekämest du ein zweites Leben … 

– englisches Sonett –

Unmerklich geht die Zeit, jedoch prophetisch
erinnernd stets, sie sei nicht umkehrbar;
wenn du sie rückwärts drehtest, hypothetisch,
wär nicht ein zweites Leben schön fürwahr?

Du grübelst lange über diesen Fragen
befindest schließlich mit Entschiedenheit –
manch Umstand würdest du erneut ertragen,
verhieltest dich genau wie seinerzeit.

So lehrt das Leben dich nicht auszuweichen;
nach Umkehr stünde dir der Sinn nicht sehr;
du ließest manches Mal etwas verstreichen,
in andrem ändertest du dein Begehr.

Doch jeden seltenen Moment an Glück,
den hieltest du als Kostbarkeit zurück.

© elbwolf (27.11.2009; geändert 22.10.2020)

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Anmerkungen zu Bild und Motto:

● Es ist nicht einfach, eine Illustration zum Thema zu wählen, für dessen philosophisch-mystische Seite natürlich Reinkarnation und Auferstehung in Betracht kämen. Da aber hier doch das Spekulative überwiegt, scheint mir, der Neugier auf alles noch Unentdeckte nachzugeben, ein durchaus passendes Motiv zu sein. Deshalb also die Wahl von Flammarions Holzstich gen. 'Der Wanderer am Weltenrand' (1888); ich sehe ihn im Kontext der rationalen Überprüfung von Weltanschauungen, also im Kontext der Aufklärung.
/ → Wikimedia Commons /

● Gryphius' Vierzeiler 'Betrachtung der Zeit' als Motto zu wählen, fand ich unwider­stehlich, als mir die Ausgabe 'Deutsche Dichtung des Barock' (Hg. Hederer) für den Europäischen Buchklub (liz./© Hanser Verlag, 1965) in die Hände kam (dort S. 87).
Andreas Gryphius (eigentlich Greif; 1616-64, Glogau) stand als Syndikus in den Diensten der Stände des schlesischen Fürstentums Glogau. Er gilt als Lyriker und Dramatiker, bezeichnete sich selbst als Philosoph und Poet. Quelle für das Kurz­gedicht ist wahrscheinlich die erst post mortem erschienene Ausgabe seiner "um ein merkliches vermehrte Teutsche Gedichte" des Verlags Fellgiebelische Erben,1698.

Dienstag, 17. November 2020

Monatsbild November mit "La Belle Jardinière"

Eugène Grasset (1845-1917): Monatsbild November ("La Belle Jardinière", 1896)
via Wikimedia Commons; gemeinfrei


A brunette woman, wearing a yellow dress with a yellow sash
around waist, bends over to observe and touch dark orange
flowers. She stands on the path of a garden; a large bear tree
to her left; in a diamond wreath; upper right: NO / VEM / BRE

/Text laut Grafik-Slg. des Smithonian Design Museums/


 
Monatsbild November mit der
'Belle Jardinière' von Eugène Grasset

Der Übergang zum Herbst ist nun vollzogen;
die Nebelschwaden wehen übers Land
und die Natur hüllt sich in neu Gewand;
die Vögel sind schon längst gen Süd geflogen.

Novembermonat zieht den Jahresbogen
dem Ende zu, die Zeit hat nicht Bestand.
Viel trübe Tage, Stürme sind Garant,
dass dieser Mond dem Winter ist gewogen.

Die Ruhepause der Natur beginnt.
Verliert ein jeder Baum sein Blätterkleid,
dann ist es bis zum Winter nicht mehr weit.

Gut, dass die Gärtnerin sich drauf besinnt,
wie viel ihr bleibt im Garten sich zu mühen,
damit im Frühjahr neu die Blumen blühen.

© lillii (Luzie-R.)
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Zum Künstler:
Eugène Samuel Grasset (* 25. Mai 1845 in Lausanne; † 23. Oktober 1917 in Sceaux bei Paris) war ein schweizerisch-französischer Bildhauer, Maler und Illustrator der Belle Époque und Wegbereiter des Jugendstils. Seine grafische Serie "Die Schöne Gärtnerin" war ein Welterfolg.

Freitag, 13. November 2020

Wenn du mich magst (mit L. Winrich a. G.)

Foto & © Vaniliza: Liebesbrücke (11.10.2018; Region Šumadija, Zentralserbien)
via Wikimedia Commons; Liz. CC BY-SA 4.0

Wenn du mich magst

Wenn du mich magst,
dann lass mich leben,
erdrück mich nicht mit deiner Last.
Was nützt es dir,
wenn ich mich beuge
und du mich dann verloren hast?

Wenn du mich magst,
dann lass mich atmen!
Angst höhlt mich aus
und engt mich ein.
So, wie du wolltest, dass ich wäre,
so könnt ich ohne Ängste sein.

Wenn du mich magst,
dann lass mich lachen,
auch wenn du meinst,
das steht mir nicht.
Ich bin so froh in jenen Stunden
und Sorge hat dann kein Gewicht.

Wenn du mich magst,
dann lass mich leben!
Verform mich nicht
nach deinem Bild !
Ich müsste eine Maske tragen
und für die Seele einen Schild.

 

Wenn du mich magst,
dann lass mich lieben
auf meine Art,
die dir zu bang.
Die großen Flammen lodern heller,
die kleinen dafür wärmen lang.

© L. Winrich a. G.      

Montag, 9. November 2020

Der Seele Atem

Edward Poynter (1836-1919): Psyche in the Temple of Love (1882); Public Domain;
Walker Art Gallery (Liverpool); via Wikimedia Commons & Google Art Project.


  Der Atem der Seele

Dem Eros, Gott der Liebe, immerzu begehrlich,
steht Psyche als der Seele Atem gegenüber;
sie stellt auch niemals etwas anderes darüber,
verhielte sich nur immer Eros zu ihr ehrlich.

Ach zügle, Eros, die Begier, gib Seele Raum –
im wilden Sturme wird die Buhle nicht erglühen;
lass ihr noch Zeit und bald schon wird sie Funken sprühen –
für sie sind Liebeswonnen mehr als nur ein Traum.

Sie will, wenn du sie hast so ganz für dich gewonnen,
dir Labsal sein und dich vor Ärgernis bewahren.
Sie ist dir gut, ihr Lebenshauch schützt vor Gefahren –
und mit der Zeit ist sie dir ewig wohlgesonnen.

Der Seele Atem ist ein Teil der Ewigkeit –
wer das erkennt, dass Atem ist der Psyche Kleid,
der hastet nicht; er nimmt sich ganz bewusst die Zeit.

© lillii (Luzie-R)

Donnerstag, 5. November 2020

Das Jahr 2020 im Sauseschritt – oder?

Foto + © Magnus Ullmann: Heuschreckenschwarm im SW von Marokko, Nov.2004.
via Wikimedia Commons; Liz. CC BY-SA 3.0.
(kein schlechter Vergleich mit einem Viren'schwarm', nur größer und sichtbar)


 Das Jahr 2020 im Sauseschritt – oder?

Grad eben war das Neue Jahr
mit eitlen Plänen angebrochen,
da kam das Virus angekrochen –
erst solo, dann als ganze Schar.
Nun scheiterte die alte Planung
und jeder Nerv lag blank fürwahr,
denn bald ergriff uns eine Ahnung …

… zu Ostern ist das nicht vorbei!
Das wird wohl eine Weile dauern,
wir alle werden schnell versauern –
erscholl ringsum ein Wehgeschrei.
Doch ehe wir's uns recht besahen
kam schon der Lockdown-Monat Mai:
den hatte man schlicht zu bejahen …

… begann danach doch Urlaubszeit,
die Zeit der wundervollen Reisen
mitsamt der Gourmet-Götterspeisen –
man tut sich doch nicht selber leid!
Doch klebt als Regel eine Strähne
voll Pech am Urlaubsend-Bescheid:
Erholung schließt mit Quarantäne …

… so dass das Volk bald Lockrung will,
mit Partys, Demos und mit Spielen
die gerne aus dem Rahmen fielen –
man hielt doch schon so lange still!
Die angedrohte zweite Welle
der Viren käme laut und schrill
und keineswegs als Bagatelle …

… was stimmt: der neueste Lockdown
der raubte, statt dass er uns stärkte,
zuallererst die Weihnachtsmärkte –
wo wir so gern ins Glas reinschaun!
Verhalten wir uns wie die Braven
und haben wir mehr Selbstvertraun,
sonst schickt man uns zum Winterschlafen …

© elbwolf (04.11.2020)

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Anmerkung:
Das Gedicht ist aus Septetten (7-versige Strophen) gebaut, die als einzelne lyrische Form in den Verslehren nicht geführt werden. Für die 7 Verse sind 3 Reimsilben erforderlich, wobei der Mitreimer eines Reimwortes spätestens in der 3. Folgezeile auftritt.
Es sind zwei unterschiedliche Reim-Varianten möglich, von denen wir eine bereits vor über einem Jahr im Gedicht "
Lange Leitung – kurze Leitung" vorstellten. Hier nun die andere:

Zwei selbständige Quartette abba acac werden zu abbacac zusammengezogen, wobei der Inhalt der zwei mittleren Verszeilen mit a-Reim zu einer verdichtet wird.

Sonntag, 1. November 2020

Kalenderblatt 11/2020 - Der Maler Paul Poetzsch

Paul Poetzsch (1858-1936)           Neapel, Stadtteil am Golf mit Fischerbooten; 1887/89

 


   ↑ © Bild: Lutz Käubler (s. u. Hinweis)              *18 = nur Sachsen     ↑ © Text: W. Herrmann

 Hinweis
Das ©-Right für das von Paul Poetzsch gemalte Bild liegt
 – zusammen mit der Verantwortung für Bildbenennung und -datierung 
vollumfänglich bei Herrn Lutz Käubler, Dresden.
Diese Wiedergabe entspricht einer einmaligen Gestattung durch den ©-Inhaber
wegen ihrer nicht-kommerziellen Verwendung auf "Versbildner"
und ist nicht einer Lizenzierung nach CC BY-SA 2.0-4.0 gleichgestellt!


Kalenderblatt 11/2020 - Der Maler Paul Poetzsch
Paul Poetzsch (1858-1936)
Neapel, Stadtteil am Golf mit Fischerbooten; 1887/89

Anmerkung:
Die Stadt Neapel gilt seit jeher als »magischer«, besonderer Ort.
Der Italiener sieht Neapel als ein auf die Erde gefallenes Stück Himmel, während es
in Deutschland und Frankreich bis ins 19. Jahrhundert als Sitz der Zauberei
und der Nekromantie (Totenbeschwörung; als Form von Spiritismus) betrachtet wurde
.

Mittwoch, 28. Oktober 2020

Tierkreiszeichen/10: Skorpion – Teamwork

Als wir zur Verabschiedung des alten Jahres schon einmal ein solches Bilder-Tableau entwarfen – und zwar zum doppelgesichtigen Janus – entstand der Gedanke, es monatlich über ein Jahr hinweg mit den Tierkreiszeichen genauso zu versuchen und mit einem "Ulk"-Horoskop zu verbinden. Zudem fiel uns auf, dass von den zwölf Tierkreiszeichen die Mehrzahl (nämlich acht) ohne weibliches Pendant sind, die Jungfrau unbemannt ist, die letzten drei dagegen (modern aufgefasst) geradezu divers wirken. Hier haben wir es mit "Skorpion/Skorpionin" zu tun. Augenzwinkernd!

Skorpion / Scorpio
vom 23.10.2020 ← gültig → bis 22.11.2020
(Zeitraum des scheinbaren Sonnendurchgangs)

  

Skorpione im Zwielicht

In griechischen Mythen gab Zeus-Gattin Hera dem Skorpion
den Auftrag zum Mord an Orion, dem Sohn des Poseidon.
Der hatte Gewalt angetan dieser Nymphe Merope.
Doch wie die Geschichte der Beiden ist dann ausgegangen,
da hat sich der Mythos in Aussagen rundweg verfangen.

So sind auch die meisten im Skorpion geborenen Kinder
Nie richtig durchschaubar und denken im Leben oft gründlich.
Doch greift man sie an, reagieren sie häufig allergisch.
Sie binden indes sich in Liebe und Treue auf Dauer.
Mit Gift-Stachel drohend – so liegen sie nicht auf der Lauer.

© Manfred Albert a. G.                

 

© Manfred Albert a. G.: originale PC-Grafik, 10/2020

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Quellen zu den Bildern im Skorpion-Tableau ganz oben
(sämtlich lizenziert und via Wikimedia Commons):
links: Sternbild des Skorpion, Foto: Till Credner, 16.07.2004; © CC BY-SA 3.0.
oben: am linken Portal der Kathedrale von Amiens; Foto: Vassil, 18.04.2007.
unten: Book of Hours, the Fastolf Master, Bodleian Library, Oxford, ~ 1440-1450.
rechts: Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz; Faltkalender ~1400

Die PC-Grafik wurde vom Autor mit einem eigenen Grafikprogramm erstellt.

Samstag, 24. Oktober 2020

Eros heute

Egon Schiele (1890-1918): Liebespaar (1913; Aquarell)
Privatsammlung; via Wikimedia Commons; gemeinfrei

Masken – Eros heute

Masken, Masken, sieht man heute wieder;
die Gesichter tragen sie nicht strahlend;
selbst Gott Eros reißt sie nicht hernieder –
Liebende, mit der Gesundheit zahlend …

Sind bewusst sich möglicher Gefahren,
die so leicht und schnell nicht sind zu bannen;
zeigt sich dies im üblichen Gebaren,
das sie aus Erkenntnissen gewannen.

Zeiten ändern menschliches Verhalten –
sind doch Götter fern und unpersönlich.
Lassen wir doch unsre Einsicht walten
und gestalten uns die Welt versöhnlich.

© lillii (Luzie-R)

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Anmerkung:
Das Gedicht bezieht sich auf Rainer Maria Rilkes Gedicht
 'Eros'' in der Abteilung 'Letzte Gedichte und Fragmentarisches'
https://www.textlog.de/22418.html      .

Mittwoch, 21. Oktober 2020

Der eingeschmuggelte Claudius

Domenicus van Wijnen (1661–1698), Allegory of the Creation of the Cosmos;
Pavlovsk Palace, Saint Petersburg, Russia. Wikimedia Commons
.

 

Ein früherer Beitrag (→ 13.05.2018) brachte ein "Universelles Geburtstagsgedicht", in das eine passende Strophe aus Schillers Geburtstagsgedicht für Frau Kirchenrätin Griesbach von 1797 hineingeschmuggelt war; sie wurde beim Rezitieren vor Zuhörern nur einmal auf Anhieb herausgefunden – von einer Deutschlehrerin.
Hier und heute ein anderer Versuch – mit einer eingeschmuggelten Strophe aus dem Abendlied von Matthias Claudius (1740-1815).

 

Die Gestirne oder Sonne, Mond und Sterne
/ mit einer kompletten Strophe aus Abendlied von Claudius /

(1)
Seht ihr die Sonne strahlen?
Ganz wie sie Kinder malen –
         wagt bloß nicht hinzuschaun!
Die übergroße Helle
erlaubt den Blick nur schnelle –
         dem Gleißen dürft ihr nie vertraun!

(2)
Seht ihr den Mond dort stehen?
Er ist nur halb zu sehen
         und ist doch rund und schön!
So sind wohl manche Sachen,
die wir getrost belachen,
         weil uns're Augen sie nicht seh'n.

(3)
Seht ihr den Glanz der Sterne
am Firmament? Wie ferne
         und wie unendlich weit!
Ihr glitzernd Licht ist rege
und weist uns unsre Wege –
         Laterne in der Dunkelheit.

© elbwolf, mit Ausnahme der Claudius-Strophe!

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Nachbemerkung
:
Der bewanderte und sehr aufmerksame Leser hat vielleicht bemerkt,
dass sich in der 2. Strophe ein unreiner Reim eingeschlichen hat, der
leider nicht mehr verändert werden konnte –
Pardon!

Samstag, 17. Oktober 2020

Monatsbild Oktober mit "La Belle Jardinière"

Eugène Grasset (1845-1917): Monatsbild Oktober ("La Belle Jardinière", 1896)
via Wikimedia Commons; gemeinfrei
 

 Monatsbild Oktober mit der
'Belle Jardinière' von Eugène Grasset


Die Monate vergehen viel zu schnell.
Es ist nun Herbst: er kam mit großen Schritten –
die Gartenordnung lässt in vielem bitten:
Oktober ist ein unsteter Gesell.

Die Bodenpflege braucht es ganz speziell:
gejätet wird – die Zeit ist fortgeschritten;
manch Baum und Strauch wird sorgfältig beschnitten:
dies ist Oktobers jährliches Skalpell.

Die Gärtnerin harkt mit dem großen Rechen
zusammen alles welke, trockne Laub,
bevor es fällt dem Herbststurme zum Raub –

die Arbeit geht nicht mehr zu unterbrechen;
Und auch die Sonne legt sich zeitig nieder –
die Menschen betten ihre müden Glieder.

© lillii (Luzie-R.)

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Zum Künstler:
Eugène Samuel Grasset (* 25. Mai 1845 in Lausanne; † 23. Oktober 1917 in Sceaux bei Paris) war ein schweizerisch-französischer Bildhauer, Maler und Illustrator der Belle Époque und Wegbereiter des Jugendstils. Seine grafische Serie "Die Schöne Gärtnerin" war ein Welterfolg.


Dienstag, 13. Oktober 2020

Herbstlicht (mit L. Winrich a. G.)

© + Foto Art Anderson (4.10.2007): Monets Garten in Giverny.
via Wikimedia Commons; Liz.: CC BY-SA 3.0

 

Herbstlicht

Es ist das Licht, das mit den Augen zwinkert –
Wie müde von zu langem Schaun,
Das zwischen Laub und Wasser blinkert;
Und Dahlien streichelt hinterm Zaun.

Es ist das Licht, das goldne Flecken bindet –
Auf welkem Laub und lichtem Ast,
Das sich im Seensilber findet
Und immer zum Oktober passt.

Es ist das Licht, das weiche Töne sendet –
Sich spiegelt sanft im Abendlicht,
Das Ruhe und Besinnung spendet
Und sich im Glas der Fenster bricht.

© L. Winrich a. G. (2020)

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Monets Garten in Giverny - Quelle:

https://web.archive.org/web/20161013111429/http://www.panoramio.com/photo/18442662

Freitag, 9. Oktober 2020

Eros verbunden

© Die Verfasserin: Tuschezeichnung

  

Eros verbunden

In Träumen hat sie sich verfangen.
Gelöst von jeder Erdenlast
genießt sie eine kurze Rast,
Gedankenfreiheit zu erlangen.

Erlebt nochmals die letzten Stunden.
Wie es der Frau bestimmt als Los
war sie für Eros gänzlich bloß
und innig mit dem Gott verbunden.

Im Sinnenrausch ganz aufgegangen.
Nichts anderes das Paar empfand,
nun miteinander wahlverwandt,
als endlich stillen das Verlangen.

© Luzie-R.

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Anmerkung:
Wir vom Versbildner haben uns darauf verständigt, künftig einen Beitrag/Monat aus dem Themenkreis von Erotik & Mythologie zu veröffentlichen.
Seit September bis Ende 2020 bestreitet Luzie-R. zunächst eine vierteilige Folge.


Die alte Hochzeitszeitung /→ Zweiteinstellung - vorher unter dem 5.10. ←/

Zeitgenössisches Hochzeitsbild, 21.11.1936 / © Verfasser
linke Seite: Anna, Weberin (46); Josef, Schlosser (50); Elsa Emma, Angestellte (26);
re. Seite: Marie, Melkerin (54); Johann, Garnspinner (52); Ernst A., Angestellter (27).
Typisch für die Zeit: die "Alten" sind alle vom Dorf, die "Jungen" schon aus der Stadt.
(→ die Personen des Fotos haben keinen Bezug zu den im Gedicht genannten ←)


 Die alte Hochzeits-Zeitung

Einblicke in ein papiernes Fundstück

Aus einem großen Stapel Altpapier
zog ich mit keckem Griff heran zu mir
die "Hochzeits-Zeitung" eines Fräulein Schlickes,
mit Weissagung des künftigen Geschickes,
als ehelich sie band sich an Herrn Texter –
der ihrem Charme erlag wie ein Behexter.

Was damals sich in meiner Stadt begab,
darüber bricht man heute noch den Stab;
Ereignisse vom Jahre 'fünfunddreißig
berichte ich Euch nachfolgend recht fleißig:
man hat sie aus der Zeitung vorgelesen,
denn sie sind raue Wirklichkeit gewesen.

Im Dienste stand die Runde bei Justiz.
Die nehmen ja genauestens Notiz,
wer sich ab wann befasst mit welchen Sachen,
die nur nach Paragraphen sind zu machen;
kein Auge aber hackt doch eine Krähe
der andern aus, egal, was die erspähe!

Aufs Mótorrad noch ohne Führerschein –
bereitet Alwin damals keine Pein,
der Siegfried, oft begehrter Kätzchentöter,
befestigte den Ruf als Schwerenöter,
nebst Heinz, der anzubieten sich nicht scheute
die Unterkunft für "Noch-nicht-Eheleute".

Der Bräutigam zeigt sich als eitler Pfau,
der stets bewacht die Ehre seiner Frau.
Und träf' er jemanden mit ihr alleine,
so macht' er ihm auch ganz gehörig Beine,
selbst ungehemmtes Brüderschaften-Trinken,
das habe sie sich künftig abzuschminken!

Im Abgesang verkündet man dem Paar,
was alles käme und noch niemals war,
wenn Kummer wie auch Wonnen beide teilten
und sich beim Nachwuchsschaffen drum beeilten.
Doch eins verschwieg man euch, ihr lieben Leute:
ihr wart zu früh – sonst lebtet ihr noch heute.

© elbwolf (2015; durchgesehen 09/2020)

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Anzügliche Nachbemerkung:
Auf dem Hochzeitsfoto ganz oben sind eigentlich 7 Personen abgebildet, und die dort gerade noch unsichtbare siebente (die jetzt noch unter uns lebt) ist der eigentliche Grund dafür gewesen, weshalb man sich (wie man mir vor langer Zeit erzählt hat) mit dem 21.11.1936 letztlich doch recht beeilt hat …
Ein Smiley, das so breit vor Lachen zerfließt, wie ich jetzt lache, das gibt's gar nicht – man versteht?