Hier schreiben Hobbydichter für Lyrik-Freunde – meist Gereimtes und nur Druckreifes! Willkommen also, viel Vergnügen mit unseren Gedichten und deren Bebilderung!

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Bereits seit Jahresbeginn bringen wir neue Folgen an Kalenderblättern und Monatsbildern. Darum herum dann das, was sich an Einfällen so ergibt – man wird sehen! Nun ja, was man auch sieht: wir "unterschlagen" seit einer ganzen Weile auch einen gewissen Anteil an sanfter Erotik nicht länger - die Zeiten sind eben so ...

Wir teilen den Lesern unseres Versbildners mit und bitten um Verständnis, dass wir auch weiterhin das monatliche Angebot auf 6 Beiträge beschränken - die Kontaktarmut dieser Zeit bringt leider auch eine gewisse Ideenarmut mit sich. Neueinstellungen erfolgen damit um die Kalendertage des 1., 6., 11., 16./17., 21./22., 25.-27. eines Monats.

Dienstag, 31. Januar 2017

Poetessen-Bildnisse

Anselm Feuerbach (1829-80): Poesie, II. Fassung, 1863
Figur der Nanna – Feuerbachs römische Geliebte, Muse und Modell bis 1865 *)
Standort: Städtischer Kunstbesitz, Speyer; Gemeinfrei
(lt. Auskunft des Kulturamtes erhebt Speyer keinerlei Copyright-Anspruch)

Drei eigene Gedichte über Gedichteschreiber haben wir zuletzt hier vorgestellt und bebildert – zwei davon zeigten Poeten in Bedrängnis. Für das dritte musste von der Sache her ein Frauenbild gefunden werden: es war Angelika Kauffmanns "Die Dichtung umarmt die Malerei". Doch diese Balance von 2 Männer- zu 2 Frauenbildnissen ist nur eine scheinbare und provoziert die Frage, welches Einzelbild einer frühen Poetessa wohl recht gewesen wäre.
Bei den Männern hätten wir bis zum bekannten (trotzdem frei erfundenen) Homer-Bildnis gehen können, aber wie weit zurück bei den Frauen? Wenn wir zudem nicht schon wieder die eine bemühen wollen, die einst auf einer griechischen Insel jene (später sapphisch genannten) Verse erfand /modernes Bsp. aus Allerheiligenabend von Arthur Fischer-Colbrie (1895-1968)/:

Banger Gang im nassgrauen Nebelwetter.
Immer fahler dämmert das Spätgelände.
Und zu Ende schwelen die Farbenbrände
            sterbender Blätter.

Schauen wir in den "Kleinen Conrady" – die Mustersammlung deutscher Gedichte! "Schon" 500 Jahre nach Ich zoch mir einen valken des Von Kürenberg treffen wir auf
  1 Sibylla Schwarz (1621-1638 !), Mein Alles ist dahin
Danach geht es mit den Poetessen dort so weiter (mit einem Geburtsjahr bis 1900):
  2 Catharina Regina von Greiffenberg (1633-94), Geistliche Sonette
  3 Susanna Elisabeth Zeidler (~1686), Beglaubigung der Jungfer
  4 Sidonia Hedwig Zäunemann (1714-40), Jungfern-Glück
  5 Anna Louisa Karsch (1722-1791), Lob der schwarzen Kirschen
  6 Karoline von Günderode (1780-1806), Der Kaukasus
  7 Annette v. Droste-Hülshoff (1797-1848), Der Knabe im Moor (vgl. den Post 5.11.)
  8 Louise Aston (1814-71), Ein heil'ges Fest
  9 Louise Otto-Peters (1819-91), Klöpplerinnen
10 Isolde Kurz (1853-1944), Schlummerflocken
11 Else Lasker-Schüler (1869-1945), Weltende
12 Ricarda Huch (1864-1947), Uralter Worte kundig
13 Lulu von Strauss und Torney (1873-1956), Einst
14 Ina Seidel (1885-1974), Trost
15 Nelly Sachs (1891-1970), Ihr Zuschauenden
16 Gertrud Kolmar/Chodziesner (1894-1943 verschollen), Die Jüdin
17 Martha Saalfeld (1898-1976), Schwarz ist die Heide
18 Elisabeth Langgässer (1899-1950), Frühling 1946
19 Ruth Schaumann (1899-1975), Leerer Abend
20 Paula Ludwig (1900-74), Mit der Ackerwinde
21 Oda Schäfer (1900-88), Veränderung.

Das sind sie – 21 Frauen, denen im Conrady für den gleichen Zeitraum 165 Männer gegenüberstehen. Nur die (3) Zeidler hat in der Wikipedia keinen Artikel und nur zu 4 weiteren fehlt ein Bildnis – die anderen 16 aber könnten wir uns in einer Galerie der frühen Poetessen sehr wohl vor Augen führen!

Und doch wollen wir wenigstens im Nachgang zu unserer Gedichtefolge einer anderen unseren bescheidenen Lorbeerkranz aufsetzen: Luise Hensel (1798-1876). Als 16-Jährige schrieb sie diese Verse nieder, die zu ihrem bekanntesten Werk wurden /singbar nach der Volksweise Taler, Taler, du musst wandern/: **)

Müde bin ich, geh zur Ruh,
schließe beide Äuglein zu.
Vater, lass die Augen dein
über meinem Bette sein.          

Luise, die Tochter eines Landpredigers bei Fehrbellin und selber einer kleinen pietistischen Gemeinde angehörend, schließt 1816 Bekanntschaft mit Clemens Brentano, dem (neben Eichendorff) bekanntesten Dichter der Romantik. Dieser hegt bald den Gedanken, um Luise zu freien, doch wegen seiner "Vorgeschichten" sind ihre und seine Familie sowie beider Umwelt der "Idee" abgeneigt und sie zerschlägt sich.
Obwohl Fehrbellin an die 50 km nordwestlich von Berlin liegt, hat Luise eine persönliche Verbindung zum Wasserschloss Knippenburg (das heute nicht mehr existiert) am Ufer der Emscher in Bottrop. In den 1820er Jahren lebte sie dort auf Einladung ihres Freundes F. C. Devens alljährlich für ein paar Wochen – und dichtete begeistert:

Grau ragt und ernst ein Schloß empor,
aus Fluren und uralten Bäumen,
es öffnet sich freundlich das gastliche Tor
zu des Hauses stattlichen Räumen.
Und die Myrthe grünt und der Lorbeer rauscht
und Orangen wehen im Winde,
und manches freundliche Wort wird getauscht
an der grünen, duftigen Linde. (…)

Das hat ihr die NRW-Stadt Bottrop nicht vergessen und bereits Ende der 1920er Jahre ihren Ratssitzungssaal mit einem Wandgemälde schmücken lassen, das die Dichterin zeigt. Der Maler Goossens verfügte zwar über eine Porträt-Zeichnung der Dichterin, die einst ihr Bruder anfertigte, aber er gestaltete freier:
"… er präsentiert uns eine konzentriert und ernsthaft schreibende Frau. (…) Goossens ging es um den Typus, um das Genre. Was dort im Bottroper Rathaus zu sehen ist, dürfte eines der spärlich vorhandenen Zeitdokumente sein, die eine schreibende Frau ohne Vorurteil darstellen." ***)
Josse Goossens (1876-1929): Luise Hensel (1929)
Standort: Wandgemälde im Großen Sitzungssaal des Bottroper Rathauses
Mit Dank an das Kulturamt und den Leiter Stabsstelle Presse/Öffentlichkeitsarbeit, Stadt Bottrop,
für die unserem Blog zur Verfügung gestellte Abbildung!


Goossens hielt sich tatsächlich nicht an das Original, was besonders an den Händen der Dargestellten auffällt: er gestaltet sie schmal, feingliedrig, einer künstlerischen Tätigkeit zugeordnet. Und überhaupt das Gesicht. Trotzdem – es könnte Luise sein!

So sieht also eine Dichterin aus – da wir das nun wissen, geben wir uns damit zufrieden.
Ach ja, im "Conrady" steht Luise (natürlich) nicht – also bitte dort gar nicht erst suchen!

© für Konzeption+Text: WH, 31.01.2017
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*) Feuerbachs Muse Nanna hat einen eigenen Wikipedia-Eintrag.
**) Es gibt zum Nachsingen eine Anleitung im Netz.
***) Quelle: nach einem Bottroper Blog-Artikel über Luise, Brentano und Goossens.

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