Drei eigene Gedichte über Gedichteschreiber haben wir zuletzt hier vorgestellt und bebildert – zwei davon zeigten Poeten in Bedrängnis. Für das dritte musste von der Sache her ein Frauenbild gefunden werden: es war Angelika Kauffmanns "Die Dichtung umarmt die Malerei". Doch diese Balance von 2 Männer- zu 2 Frauenbildnissen ist nur eine scheinbare und provoziert die Frage, welches Einzelbild einer frühen Poetessa wohl recht gewesen wäre.
Banger Gang im nassgrauen Nebelwetter.
Immer fahler dämmert das Spätgelände.
Und zu Ende schwelen die Farbenbrände
sterbender Blätter.
Schauen wir in den "Kleinen Conrady" – die Mustersammlung deutscher Gedichte! "Schon" 500 Jahre nach Ich zoch mir einen valken des Von Kürenberg treffen wir auf
1 Sibylla Schwarz (1621-1638 !), Mein Alles ist dahin
Danach geht es mit den Poetessen dort so weiter (mit einem Geburtsjahr bis 1900):
2 Catharina Regina von Greiffenberg (1633-94), Geistliche Sonette
3 Susanna Elisabeth Zeidler (~1686), Beglaubigung der Jungfer
4 Sidonia Hedwig Zäunemann (1714-40), Jungfern-Glück
5 Anna Louisa Karsch (1722-1791), Lob der schwarzen Kirschen
6 Karoline von Günderode (1780-1806), Der Kaukasus
7 Annette v. Droste-Hülshoff (1797-1848), Der Knabe im Moor (vgl. den Post 5.11.)
8 Louise Aston (1814-71), Ein heil'ges Fest
9 Louise Otto-Peters (1819-91), Klöpplerinnen
10 Isolde Kurz (1853-1944), Schlummerflocken
11 Else Lasker-Schüler (1869-1945), Weltende
12 Ricarda Huch (1864-1947), Uralter Worte kundig
13 Lulu von Strauss und Torney (1873-1956), Einst
14 Ina Seidel (1885-1974), Trost
15 Nelly Sachs (1891-1970), Ihr Zuschauenden
16 Gertrud Kolmar/Chodziesner (1894-1943 verschollen), Die Jüdin
17 Martha Saalfeld (1898-1976), Schwarz ist die Heide
18 Elisabeth Langgässer (1899-1950), Frühling 1946
19 Ruth Schaumann (1899-1975), Leerer Abend
20 Paula Ludwig (1900-74), Mit der Ackerwinde
21 Oda Schäfer (1900-88), Veränderung.
Und doch wollen wir wenigstens im Nachgang zu unserer Gedichtefolge einer anderen unseren bescheidenen Lorbeerkranz aufsetzen: Luise Hensel (1798-1876). Als 16-Jährige schrieb sie diese Verse nieder, die zu ihrem bekanntesten Werk wurden /singbar nach der Volksweise Taler, Taler, du musst wandern/: **)
Müde bin ich, geh zur Ruh,
schließe beide Äuglein zu.
Vater, lass die Augen dein
über meinem Bette sein.
Luise, die Tochter eines Landpredigers bei Fehrbellin und selber einer kleinen pietistischen Gemeinde angehörend, schließt 1816 Bekanntschaft mit Clemens Brentano, dem (neben Eichendorff) bekanntesten Dichter der Romantik. Dieser hegt bald den Gedanken, um Luise zu freien, doch wegen seiner "Vorgeschichten" sind ihre und seine Familie sowie beider Umwelt der "Idee" abgeneigt und sie zerschlägt sich.
Grau ragt
und ernst ein Schloß empor,
aus Fluren und uralten Bäumen, es öffnet sich freundlich das gastliche Tor zu des Hauses stattlichen Räumen. |
Und die
Myrthe grünt und der Lorbeer rauscht
und Orangen wehen im Winde, und manches freundliche Wort wird getauscht an der grünen, duftigen Linde. (…) |
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Josse Goossens (1876-1929): Luise
Hensel (1929) Standort: Wandgemälde im Großen Sitzungssaal des Bottroper Rathauses Mit Dank an das Kulturamt und den Leiter Stabsstelle Presse/Öffentlichkeitsarbeit, Stadt Bottrop, für die unserem Blog zur Verfügung gestellte Abbildung!
Goossens
hielt sich tatsächlich nicht an das Original, was besonders an den Händen der
Dargestellten auffällt: er gestaltet sie schmal, feingliedrig, einer
künstlerischen Tätigkeit zugeordnet. Und überhaupt das Gesicht. Trotzdem – es
könnte Luise sein!
So sieht also
eine Dichterin aus – da wir das nun wissen, geben wir uns damit zufrieden.
Ach ja, im "Conrady" steht Luise (natürlich) nicht – also bitte dort gar nicht erst suchen! © für Konzeption+Text: WH, 31.01.2017 -------------------------------------- *) Feuerbachs Muse Nanna hat einen eigenen Wikipedia-Eintrag. **) Es gibt zum Nachsingen eine Anleitung im Netz.
***) Quelle:
nach einem Bottroper Blog-Artikel über Luise, Brentano und Goossens.
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