Hier schreiben Hobbydichter für Lyrik-Freunde – meist Gereimtes und nur Druckreifes! Willkommen also, viel Vergnügen mit unseren Gedichten und deren Bebilderung!

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Bereits seit Jahresbeginn bringen wir neue Folgen an Kalenderblättern und Monatsbildern. Darum herum dann das, was sich an Einfällen so ergibt – man wird sehen! Nun ja, was man auch sieht: wir "unterschlagen" seit einer ganzen Weile auch einen gewissen Anteil an sanfter Erotik nicht länger - die Zeiten sind eben so ...

Wir teilen den Lesern unseres Versbildners mit und bitten um Verständnis, dass wir auch weiterhin das monatliche Angebot auf 6 Beiträge beschränken - die Kontaktarmut dieser Zeit bringt leider auch eine gewisse Ideenarmut mit sich. Neueinstellungen erfolgen damit um die Kalendertage des 1., 6., 11., 16./17., 21./22., 25.-27. eines Monats.

Samstag, 16. Dezember 2017

Mundart-Verse (9) – Oberlausitzisch (Hommage auf Herbert Andert, 1910-2010)

Notabene: Fortsetzung der losen Folge von Gedichten, die ihre Verfasser/Innen in Mundart geschrieben haben. Der Begriff mag für Sprachwissenschaftler etwas unscharf sein – hier steht er für Gedichte, die man in solcher "Würze" nur in "Regionalsprachen" findet. Auch sind sie den formalen poetischen Auflagen durch das Hochdeutsche weit weniger (oder nicht) verpflichtet.
Für Unkundige, die gar manches Mal "begriffsstutzig" sein würden, gibt es eine hochdeutsche Übertragung oder eine Reihe von Worterklärungen.
Spreequelle ("Spreeborn") in Ebersbach im Lausitzer Oberland (aus: wikimedia.commons)
links: Postkarte von 1907, Zenodot Verlagsgesellschaft; Urheber: H. Richter, Zittau; gemeinfrei.
rechts: Aufnahme von Frank Lehmann, 23.10.2016; Liz.: CC BY-SA 4.0
 
Herbert Andert (Ebersbach, 1910-2010; verdienter Mundart-Forscher)

Musike an Kraatschn
(Quelle: Greifenverlag-Anthologie, S. 328)

Musik im Kretscham
(= in der Schenke)

An Kraatschn is heute Musike,
kumm, Maajdl, do gih mer mit hie!
Iech tanz ju fersch Labm su garne
mit dir und mit kenner sunst mih.

Ann Walzer, dan warrn mer schunnt breetn.
Irscht raajchts, derno links tu mer'ch drähn.
Und 's Käppl, doas muß de ganz nohnde
a miech, a mei Harze droaa lähn.

Und blosn se goar Pfaarewechsl,
do tu mer, oas wenn mer'sch ne hiern.
Mir lussn'ch vu kenn andern Karln
a unsn schinn Walzer do stihrn.

An Kraatschn is heute Musike.
Kumm, Maajdl, sunst krieg mer kenn Ploatz!
Und heemzu, doas soi'ch derr schunnt itze,
do krigs de ann ganz soaaftchn Schmoatz.
Im Kretscham ist heute Musike,
komm, Madl, da gehen wir mit hin!
Ich tanz ja fürs Leben so gerne
mit dir und mit keiner sonst noch.

~, den werden wir schon bringen.
~, danach links tun wir uns drehn.
Und 's Köpfchen, ~ ganz nahe
an mich, an mein Herz anlehnen.

Und blasen sie gar "Pferdewechsel",
da tun wir, als wenn wir's nicht hören.
Wir lassen uns von keinen ~ Kerlen
bei unserm ~ Walzer doch stören.

Im Kretscham ist heute Musike.
Komm, Madl, sonst ~ keinen Platz!
Und heimzu, ~ sag ich dir schon jetzt,
da kriegst du ~ saftigen Schmatz.


Oalls minander
(Quelle: Greifenverlag-Anthologie, S. 328/9)

Alles miteinander
(= gemeinsam)
Mir gihn a de Foabrike,
de Frooe und iech.
Mir wabern a enn Sticke,
's wabt kees für siech.

Minander wird geurbert
und feste gewurgt,
minander wird derheeme
de Wirtschoaft besurgt.

Minander wird gefeiert,
's gehirrt mit derzu,
weil's derno lechter leiert –
doas woar schunnt immer su.

Ju, beede tu mer wabm,
de Frooe und iech.
Und be ann sickn Labm
denkt kees oack a siech.
Wir gehen in die Fabrik,
die Frau und ich.
Wir weben an einem Stück,
es webt keiner für sich (allein).

Miteinander wird gearbeitet
und feste geschuftet,
Miteinander wird zu Hause
die Wirtschaft besorgt.

Miteinander wird gefeiert,
's gehört mit dazu,
weil's danach leichter (= besser) läuft –
das war schon immer so.

Ja, beide weben wir,
die Frau und ich.
Und bei einem solchen Leben
denkt keiner nur an sich.


Zum neu'n Juhre
(s. Rhein-Neckar-Zeitung-Anthologie, S. 225)

Zum neuen Jahr

A neues kimmt – a aales gitt.
Und wenn'ch's ees amol raajcht besitt:
Woaas is gewaast? – Woaas woar'schn
Do sois de goar ne vill derrzu.           \ nu?

De Juhre gihn, de Juhre kumm,
und wie se senn, warrn se genumm.
Moanchmol, do leeft die Fuhre gutt,
a andrmol wird imgeschutt.
Und tut dar Plautz o noa su wieh,
oack wetter gitt's mit "Hutte-hüh"!

Fängst weder'sch Juhr vu vurne oaa,
machs dch a de neue Fuhre droaa
und weßt ne, wenn's de Drähe nimmt,
ob schunn de letzte Fuhre kimmt.

Drum hill dch derrzu! Mach derr an Spoaß!
Wenn's raajnt, wird's vu oalleene noaaß.
Oack immer munter roaa a'n Spaajk,
kenn Arger ieber jedn Draajk.
's is uff dr Walt genung schunn schlaajcht,
mach du oack deine Sache raajcht!
Ein neues kommt – ein altes geht.
Und wenn man's mal recht besieht:
Was ist gewesen? – Was war's nun?
Da sagst du gar nicht viel dazu.

Die Jahre gehen, die Jahre kommen,
und ~ sind, werden sie genommen.
Manchmal läuft die Fuhre gut,
ein andermal kippt sie um.
Und tut der Plauz auch noch so weh,
geht’s weiter doch mit "hott und hü"!

Fängst wieder 's Jahr von vorne an,
machst dich an die neue Fuhre dran,
und weißt nicht, wenn's zu Ende geht,
ob schon die letzte Fuhre kommt.
                                                 / Spaß!
Drum halte dich dazu! Mach dir 'nen
Wenn's regnet, wird 's von allein nass.
Nur immer munter ran an den Speck,
keinen Ärger über jeden Dreck.
's ist auf der Welt genug ~ schlecht,
mach du nur deine Sache recht! 

Gestattungsvermerk statt eines förmlichen ©:
Die Wiedergabe aller drei Mundart-Gedichte erfolgt mit Kenntnis und ausdrücklicher Zustimmung der Tochter und Erbin von Herbert Andert.
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Der verdiente Mundart-Forscher Herbert Andert ist auch der Autor dieser drei Mundart-Gedichte. Er wurde 1910 in Ebersbach geboren, dem heutigen Ebersbach-Neugersdorf im Kreis Löbau in der Oberlausitz (Sachsen), und erreichte ein Alter von fast hundert Jahren.
Sein Interesse für mundartliches Sprechen und Sprachgut rührt aus der Familie – vom Vater und vom älteren Bruder. Er studierte Pädagogik an der Leipziger Universität und arbeitete als Lehrer in Ebersbach. Zu seinen Pionierleistungen gehört u. a. die Veröffentlichung der ersten Schallplatte in Oberlausitzer Mundart 1938. Mit seinem Bruder zusammen arbeitete er an Sammlung und Kartierung des Oberlausitzer Wortschatzes.
Herbert Andert wurde 1983 mit dem Kunstpreis der Oberlausitz ausgezeichnet und 1994 zum Ehrenbürger seiner Heimatstadt ernannt; 2003 erhielt er das Bundesverdienstkreuz für sein Lebenswerk und den Lausitz-Dank in Gold. Seine umfangreiche Liste von Veröffentlichungen endet erst 2002: "Oallerlee aus unser Heemte – a unser Sproche" (ehem. Lusatia-Verlag, Bautzen). Andert ist ein personeller Artikel in der Wikipedia und ein Eintrag im "Biographischen Lexikon der Oberlausitz" gewidmet.
Zu den Quellen, die das Andenken an Herbert Andert wach halten, gehören zwei verbreitete Mundart-Anthologien: die in unserer vorherigen Folge genannte von 1990 aus dem kurz darauf untergegangenen Greifenverlag zu Rudolstadt (für die ersten beiden Gedichte oben) und die der Herausgeber B. J. Diebner und R. Lehr (s. Abb. links) im Verlag der Rhein-Neckar-Zeitung, Heidelberg 1995 (für das dritte Gedicht).
./.
Die Oberlausitzer Mundart, Äberlausitzer Sproche, ist ein Dialekt, der im Süden der Oberlausitz gesprochen wird. Er gehört zu den mitteldeutschen Dialekten, genauer klassifiziert zur lausitzischen Dialektgruppe – seine Herkunft und die Beziehungen zu anderen Dialekten sind recht schwer einzuordnen. Einen Überblick über die Verbreitungsgebiete geben ein Beitrag in der Wikipedia und im Detail eine Verbreitungskarte der Oberlausitzer Mundartgebiete (dort als Südlausitzisch bezeichnet) wieder. Zu den Besonderheiten zählt vor allem das Vorhandensein vieler sich vollkommen von der Standardsprache unterscheidender Begriffe, die häufig aus den benachbarten slawischen Sprachen entlehnt sind.

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