Notabene: In bisher sechs Folgen haben verschiedene Autor/innen
Mundart-Verse in unserem Blog
"Versbildner" veröffentlicht. Der Begriff mag für
Sprachwissenschaftler etwas unscharf sein – hier steht er für Gedichte, die man
in solcher "Würze" nur in "Regionalsprachen" findet. Auch
sind sie den formalen poetischen Auflagen durch das Hochdeutsche weit weniger
(oder auch gar nicht) verpflichtet.
Um der scheinbaren
Kurzlebigkeit im Internet zu begegnen, nennen wir hier unsere Autoren noch
einmal in einer Zusammenfassung – jeweils auch mit einer kleinen Zugabe an
Versen.
Für Unkundige, die wohl manches Mal "begriffsstutzig" sein würden,
gibt es auch heute und hier die Übertragungen ins Hochdeutsche.
Den jeweiligen Originalbeitrag findet man am
einfachsten, wenn das Label "Mundart-Verse" angeklickt wird; sonst
klickt man im Blog-Archiv den entsprechenden Monat von 2017 an und dort
dann den Titel selbst.
(1) Gisela Gesang – Rostocker Platt
Aus: Weihnachtserinnerungen
(2004):
Hüt
häw ick allens bi de Hand:
kann
äten, drinken wat ick will;
häw warmet Water ut de Wand;
wenn
ick nich lopen mag, sit'k still.
Gisela Gesang lebt in
Rostock. Ihre Gedichte und Beiträge in Platt werden von örtlichen Zeitungen und
vor allem dem Warnemünder "Tidingsbringer" gern veröffentlicht. Sie
wird manchmal von Leuten auf der Straße angesprochen, die ihr für den
Gebrauch des heimatlichen Platt danken
möchten.
Ihr Beitrag "Mien
leiwste Plag" steht unter April
2017.
(2) Ernst Blumenstein –
Höchstalemannisch/Schwyzerdütsch
Aus: Weniger
wäri meh (1991):
Mängmol macht's mer Angscht
well emer meh Wohlstand
d'Umwält belaschtet –
weniger wäri meh.
|
Ernst Blumenstein lebt in
Tägerig/Reuss im Kanton Aargau – südlich vom Hochrhein. Er schreibt schon seit
längerem Gedichte auf "Schwyzerdütsch", mit denen er seine Nächsten
bedenkt. Er selbst führt einen Internet-Blog, stellt mit anderen zusammen
alemannische Mundart-Lyrik auf eine Webseite.
Ein Gedicht und fünf kleine
Bonmots stehen unter Mai 2017.
(3) Jean-Louis Kieffer –
Moselfränkisch
Dau (prämiiert 2010)
Eich vergehn wéi en Greiw in
der Pann
Wenn dau mich aakuckscht.
Un mein Blout spruddelt von
Freed
Wenn dau géer wellscht.
Et ganz Wasser von der Welt
Séngt in deinen Auen
Un dodrenn
Wéll eich / Ersaufen
Jean-Louis Kieffer lebt bei
Bouzonville im deutschsprachigen Département Moselle. Er ist Präsident des
Vereins "Gau und Griis", der für die Erhaltung der Fränkischen
Sprache eintritt; selbst schreibt er seit 1985
und hat zahlreiche Veröffentlichungen sowie einen personellen Artikel in der
französischen Wikipedia.
Drei Gedichte (eins davon
unveröffentlicht!) stehen unter Juni
2017.
(4) Matthias Fritzsch –
Westerzgebirgisch
Aus: Wu is de Zeit bluß
hie:
Im Sommer namme de Tog langsam o,
schu is dor Harbst mit bunte Blätter do.
Un viel, viel schneller als mor dachten,
hobn mir Advent un feiern Weihnachten.
Nu tut mor wieder am Gahresende stieh,
un frogt erstaunt, wu is de Zeit bluß hie.
Matthias Fritzsch lebt in
Zwickau. Er begann 1992 mit dem Schreiben von Mundart-Gedichten und -Liedern
sowie Kurzgeschichten und publiziert viel in Zeitungen, Heimatblättern u. a. m.
Er ist im "Erzgebirgsverein e.V." aktiv, gehört der Erzgebirgsgruppe
"De Rödelbachtaler" an.
Drei recht
"launige" Gedichte von ihm stehen unter Juli 2017.
(5) Fred Boger – Remstaler
Schwäbisch
Aus: Goischtr
– frei nach Goethes "Totentanz":
Heit sen die Goischtr ao nemme dees wase scho warad
z faul zom Laufa - wellad ao blos noh fahra!
Schtell dai Radio ai, noo hersch scho dr Säga,
uf dr Autobah kommt oim a Goischtrfahrer entgega!
Fred Boger stammt aus dem
Remstal (BaWü), wanderte in die USA aus und erwarb an der U. of Illinois den
MA-Grad. Danach lebt er in Heilbronn, von Beruf Lehrer. Dem Schreiben widmete er
sich erst als Ruheständler. 1982 erschien sein Buch "Aus em Ländle" -
Gedichte in schwäbischer Mundart. In der Regionalpresse ist er ein aktiver
Leserbriefschreiber.
Drei Gedichte aus dem
1982er-Buch stehen unter August 2017.
Nachtrag: Am 1.12.2017 erschien in den Schorndorfer Nachrichten ein recht informativer Artikel über Fred Boger, der auch seinen Gastauftritt
in unserem "Versbildner" erwähnt!
(6) Ingeborg F. Müller – Kölsch
Nit pingelich! (2017)
Em
Internet, / dat wor der jet, Do
kom vörbei, / met vill Buhei,
do hatt
sich ens verlaufe, ne
Satz, däm dat jet fähle.
ne Bochstav
klein, Flöck
wie der Bletz,
stundt jetz
allein sprung
aan de Spetz,
jenau
jesaat et kleine "r" , dat
kleine "r" ovschüns im klor,
woss nit
wohin un nit woherr. dat die Plaatz bloß för Jroße wor.
Ingeborg F. Müller, geboren,
aufgewachsen und wohnhaft in Köln. Sie ist Absolventin der "Akademie för
uns kölsche Sproch" mit Kölschexamen und Kölschdiplom und gehört dem
Akademie-Beirat an. Seit Mitte der '90er Jahre schreibt sie Mundarttexte und
tritt auf Veranstaltungen auf; sie hat zahlreiche Veröffentlichungen.
Drei eher heitere Gedichte
stehen unter September 2017.
. /.
Unser Jahresprogramm 2017 an Mundart beschließen wir in den Monaten
November und Dezember mit zwei Mundart-Dichtern, die heute nicht mehr unter uns
weilen – aus der Oberlausitz und aus
Westthüringen. Die Vorlagen sind einem Buch aus dem 1992 untergegangenen
Greifenverlag zu Rudolstadt entlehnt, dessen große Verdienste um die Buchkultur
wir damit ebenfalls ins Gedächtnis rufen möchten.
Das Team von "Versbildner"
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Übertragung der Verse ins Hochdeutsche:
(1) Rostocker Platt
Heut hab alles bei der
Hand
kann essen, trinken was
ich will,
hab warmes Wasser aus der
Wand;
wenn ich nicht laufen mag,
sitz ich still.
|
(2) Schwyzerdütsch
Manchmal macht es mir
Angst,
weil immer mehr Wohlstand
die Umwelt belastet –
weniger wäre mehr.
|
(3) Moselfränkisch
Ich schmelze wie eine
Griebe in der Pfanne
Wenn du mich anschaust.
Und mein Blut wallt vor
Freude
Wenn du es nur wolltest.
Alles Wasser dieser Welt
Singt in deinen Augen
Und darin / Will ich /
Ertrinken.
|
(4) Westerzgebirgisch
Im Sommer nehmen die Tage
langsam ab,
schon ist der Herbst mit
bunten Blättern da.
Und viel, viel schneller
als wir dachten,
haben wir Advent und
feiern Weihnachten.
Nun stehn wir wieder am
Jahresende
und fragen erstaunt, wo
ist die Zeit nur hin.
|
(5) Remstaler Schwäbisch
Heut sind die Geister auch
nicht mehr das, was sie schon mal waren
zu faul zum Laufen – sie
wollen auch bloß noch fahren!
Stell dein Radio an, dann
hörst du die Ansage,
auf der Autobahn kommt
einem ein Geisterfahrer entgegen.
|
(6) Kölsch
Im Internet / begab es sich,
da hatte sich mal
verlaufen
ein Kleinbuchstabe,
stand jetzt allein,
genau gesagt, das kleine
"r"
wusste nicht wohin und nicht
woher.
|
Do kam vorbei, / mit viel
Geschrei,
ein Satz, dem das jetzt
fehlte.
Flink wie der Blitz,
sprang an die Spitz,
das kleine "r",
obschon ihm klar,
dass dieser Platz nur für
große war.
|
|
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