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Foto+©:
Wolfgang H./elbwolf
Ecke meines häuslichen PC-Arbeitsplatzes.
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Unser tägliches Brot … und sonst?
Schon Jahre
sind vergangen, seit wir die Kate räumten,
in der die beiden Altchen ihr ganzes Leben zugebracht.
An Erbschaftsgut war wenig; Begehrenswertes kaum dabei.
Als neu in der Familie, der noch kein Anrecht hatte,
erbat ich nur den kleinen ganz schwarz umrahmten alten Spruch,
der, völlig unbeachtet, zuletzt noch an der Wand hing.
Was da mit knappen
Worten der Spruch vor Augen führte,
das war den "Eingeweihten" ganz sicher immer schon bekannt,
weil sich leicht etwas einprägt, das anders nie gewesen war.
Dann braucht die Wiederholung nicht Anlass, nur Bedürfnis,
und das ergibt sich dadurch, weil andernfalls die Leere bleibt.
Der Mensch braucht Rituale – dann fühlt er sich geborgen.
Der Text
war mir geläufig, obgleich ich nicht zum Kreise
der "Eingeweihten" zählte; im Wortlaut sah ich mehr den Wunsch,
nicht vorgetragne Bitte; obwohl ein Ausruf hingehört.
Und plötzlich der Gedanke: das ist auch keine Bitte,
das ist etwas Entschiednes, ist unabweisbar Forderung –
so einfach von den Worten – und trotzdem allumfassend:
. Unser tägliches Brot gib uns heute!
Da, wo ich
heute lebe, da gibt es keine Katen,
selbst Mauerwerk verschwindet, macht Platz für grauen Baubeton.
Wer aus dem 10. Stockwerk, der kennt niemand im Erdgeschoss.
Doch eint hier ein Gedanke im Haus die meisten Mieter:
denn jenen alten Schriftzug, den ich aus Pietät bewahrt,
verdrängt mit großen Lettern die neueste der Sorgen *)
. BEZAHLBARES WOHNEN GIB UNS HEUTE!
© Wolfgang H. (elbwolf; Neufassung
5/2018)
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Urheber & © :
Udo Petzold, Dresden
Erinnerungsbild an der Großeltern Häuschen
in Reichenau im Osterzgebirge **)
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Anmerkungen:
*) Bezüglich
dieser "neuartigen" – aber zeitgemäßen Forderung – verfüge ich über
keine Statistiken und mutmaße daher nur, dass sie in West und Ost auch auf
unterschiedliches Verständnis stoßen könnte.
**) Dieses
kleine Erinnerungsbild entstand erst 12/98, schon einige Zeit nach der Hausberäumung.
Der Großvater des Sonntagsmalers, Hellmuth Schlesier (1905-93), mein Schwiegergroßvater
also, war ab 1928 der örtliche Distrikt-Elektromeister, dem "als
Deputat" (aber zur Miete) solch eine Wohnstätte zustand, von der aus er
täglich mit Motorrad oder im winterlichen Erzgebirge auf Skiern seine Rundfahrten
unternahm, um Sicherungen auszuwechseln, Geräte zu prüfen und zu installieren,
Leitungen zu reparieren oder zu verlegen und Kabelbrandschäden zu beseitigen.
Infolge der großen gesellschaftlichen Veränderungen von den 20er bis in die
70er Jahre und darüber hinaus ergab es sich, dass nie eine Reparatur oder gar
Modernisierung unternommen wurde und sich das Häuschen letztlich in eine
"Kate" verwandelte – um die sich von uns Hinterbliebenen, allesamt längst
zu Städtern geworden, keiner weiter bemühen wollte.
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