Hier schreiben Hobbydichter für Lyrik-Freunde – meist Gereimtes und nur Druckreifes! Willkommen also, viel Vergnügen mit unseren Gedichten und deren Bebilderung!

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Bereits seit Jahresbeginn bringen wir neue Folgen an Kalenderblättern und Monatsbildern. Darum herum dann das, was sich an Einfällen so ergibt – man wird sehen! Nun ja, was man auch sieht: wir "unterschlagen" seit einer ganzen Weile auch einen gewissen Anteil an sanfter Erotik nicht länger - die Zeiten sind eben so ...

Wir teilen den Lesern unseres Versbildners mit und bitten um Verständnis, dass wir auch weiterhin das monatliche Angebot auf 6 Beiträge beschränken - die Kontaktarmut dieser Zeit bringt leider auch eine gewisse Ideenarmut mit sich. Neueinstellungen erfolgen damit um die Kalendertage des 1., 6., 11., 16./17., 21./22., 25.-27. eines Monats.

Mittwoch, 16. Februar 2022

Geschichte eines Sonetts, Teil 2(2) – nach Azevedo (Übertragung aus dem Portugiesischen)

 Rückblick auf Teil 1 (siehe 11. Februar):

Der 23-jährige Ludgero Baptista hatte sich Hals über Kopf in die noch junge stadtbekannte Schönheit Laura Rosa verliebt, die Kommandanten-Gattin. Um ihre Aufmerksamkeit zu erringen und die Verehrer auszustechen, schrieb er ein gefühlvolles Sonett – setzte aber in unverzeihlicher Weise Lauras Namen in eine der Strophen und seine Initialen darunter. Die Verse erreichten zwar ihr Ziel, aber für den jungen Mann folgte gar nichts weiter. Nach langer Wartezeit schlug er sich die Sache aus dem Kopf, erlernte einen Beruf und wurde erfolgreicher Fabrikant.

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Mit 37 Jahren verspürte Ludgero dann doch den Wunsch, eine eigene Familie zu gründen. Bei Freunden lernte er Blandina kennen, eine interessante, etwas romantische junge Frau von 23. Kurz – sie heirateten. Nach über zehn sehr glücklichen Jahren begann Ludgero, nun fast 50, sein einsetzendes Alter gegen Blandinas anhaltende Jugendlichkeit kritischer zu sehen, er "wurde unruhig und beobachtete mit eifersüchtigen Augen, was um ihn herum geschah".
Und tatsächlich fand er heraus, dass um sein Haus ein sehr junger Mann herumlungerte. Zufällig sah er auch, wie der an einer Hausecke dem Koch einen Brief übergab. Ludgero versteckte sich und "fing das Schreiben genau in dem Moment ab, in dem es aus den Händen des Vermittlers an seine Frau überging". Blandina erschrak, brach in Tränen aus, beteuerte ihre Unkenntnis, wer der Absender sei und schwor, "dass sie diesen Brief ungeöffnet zurücksenden würde!" Aber Ludgero durchkreuzte – zitternd vor Aufregung – dieses Ansinnen: er zerriss den Umschlag – und fand darin ... ein Gedicht, dessen erster Vers so ging:

Seit jenem Tag, als ich voll Glück und Staunen ...

Auf einen Blick und mit unfassbarem Erstaunen erkannte Ludgero sein eigenes Sonett, das er vor über 25 Jahren Laura Rosa hatte zukommen lassen und das nie beantwortet worden war. Und natürlich lautete der seinerzeitige Vers des Anstoßes nun

Oh schöne Blandina, den erbet'nen Kuss, ...

was den Rhythmus störte – ein Poet war der junge Mann also auch nicht!

Ludgero lachte befreit auf, kramte sein Sonett aus einer alten Schublade vor, zeigte es seiner Frau und eröffnete ihr, dass er "früher" selber Verse geschrieben habe. Damit war die "Affäre" aus der Welt, ehe sie zu einer geworden wäre; nun aber kam auch noch der Schalk zu seinem Recht.

Ludgero dichtete für seine Blandina ein Antwort-Sonett an den "Kopisten", ließ es von ihr in ihrer Handschrift abschreiben und übergab es dem jungen Mann persönlich, als er ihn das nächste Mal ums Haus schleichen sah:

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RESPOSTA

Para satisfazer ao seu pedido,
Na parte da denúncia e não do beijo,
Revelei a meu dono o seu desejo.
Os versos entreguei a meu marido.

Este em vez de ficar enfurecido,
E de agarrar um ferro malfazejo,
Tomou a coisa á conta de gracejo,
E pôs-se a rir como um perdido!

Pois se e ele o autor do tal soneto!
O senhor copiou-o da Nova Aurora,
Estragando-lhe apenas um quarteto...

Ele, que a Musa já mandou embora,
Cede-lhe os versos (discrição prometo),
Mas não quer sociedade na senhora.



ERWIDERUNG

Bei dem Ersuchen, das Sie an mich stellen,
erübrigt sich die Bitte nach dem Kuss;
und weil ich meinem Mann nichts beichten muss,
wollt' er nach Ihrem Vers ein Urteil fällen.

Um sich die Laune selbst nicht zu vergällen
jedoch zu knacken diese harte Nuss,
nahm er's für einen Scherz – so sein Entschluss;
befreites Lachen hört ich gleichsam quellen.

Er dichtete vor Jahren dies Sonett –
das Sie zu Unrecht lediglich kopierten.
Nun drängt er Sie zu eigenem Quartett!

Die Muse zählt ihn nicht als Motivierten;
Ihr Vers entschädigt ihn – ich schweig honett.
Auch wünscht er nicht, dass wir uns je liierten!

© W. Herrmann (12.02.2022), für die freie
Übertragung aus dem brasilianischen Portugiesisch

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Die Androhung einer Tracht Prügel, falls sich der Jüngling nochmals blicken lassen sollte, tat ihre Wirkung – er tauchte nie wieder auf. Ludgero zog für seine Person den Schluss, "dass ein Mann früher oder später durch die Waffe, die er mit böser Absicht schmiedet, verletzt werden kann, selbst wenn diese Waffe ein schlichtes Sonett wäre."
Ach ja: Ludgero entdeckte, dass der junge Mann Laura Rosas Sohn war; das alte Sonett hatte er sicher unter den Papieren seiner Mutter gefunden.

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Liebe Leserinnen und Leser unseres Blogs!
Ludgero liebte seine Blandina (und sie ihn), wie die Liebe größer nicht sein und nicht werden könnte.Mir will scheinen, dass diese Geschichte an das Ende vieler Märchen unserer Gebrüder Grimm erinnert: "Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute!"
Dennoch schwingt im Hintergrund das Gefühl der Eifersucht irgendwie mit und ist Anlass, hier eine der Darstellungen des Malers Munch von diesem Thema beizugeben:


Edvard Munch (1863-1944): Jealousy, 1913-15;
Quelle: Munch-Museum Oslo; via Wikimedia Commons; Liz.: gemeinfrei.

© elbwolf, für Nacherzählung und Gestaltung des Beitrags.

Anm.: Entgegen der Ankündigung wird der obige Teil-2 des Beitrags
sofort im Anschluss an Teil-1 zum Posten freigegeben, nicht erst Mitte März.

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