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Johann Nepomuk Hautmann (1820-1903):
Skulpturen im Gartenparterre von Schloss Linderhof.
Die Vier
Jahreszeiten: Frühling (Flora) | Sommer (Ceres?) | Herbst (Bacchus) | Winter
Eigene Fotos, Bearbeitung, Montage & ©: elbwolf, 11.05.2015, 13:20 |
Werke der bildenden Kunst mit dem Motiv
der vier Jahreszeiten, …
… wie die hier abgebildete
Skulpturengruppe aus Ludwig II Schloss Linderhof, gibt es in beträchtlicher
Anzahl, die noch deutlich anwächst, wenn man weitere Kunstgattungen hinzunimmt
– Malerei, Musik, Literatur. Nebenbei: Einen zusammenfassenden Artikel
hierüber sucht man sogar in der Wikipedia vergebens!
Auf diese Einführung folgen dann
einzeln unsere Sonette zu den vier Jahreszeiten, denen die Bilder aus den gleichnamigen
Jugendstilzyklen Alfons Muchas von 1896 und 1897 beigegeben sind.
Zunächst aber sei aus einer
kunstwissenschaftlichen Studie 1) über die Linderhof-Plastiken und
ihre Versailler Vorbilder das zitiert, was ein bildender Künstler alles in eine
solche Motivserie hineinlegt und zu beachten hat.
./.
"Alle Linderhofer
Steinskulpturen, mit Ausnahme der Monopteros-Venus, wurden nach Vorlagen aus
Versailles geschaffen …
LeBrun ²) hielt sich mit
seinen Entwürfen gerade bei diesen Figuren (der
vier Jahreszeiten) am wenigsten an die Angaben Cesare Ripas ³), der alle vier … durch Frauen personifizierte
… Bei LeBrun dagegen sind Winter und Herbst männliche Figuren. Ihre Gegenstücke
in Linderhof sind dort die einzigen männlichen Figuren unter den Vierergruppen."
"Beim Frühling meint Ripa nicht viel Worte
verlieren zu müssen, da die Figur selbsterklärend sei, denn durch Girlanden und
Sträuße verschiedener Blumen, die sie trage, werde gezeigt, dass sich alle
diese Pflanzen in dieser schönen Jahreszeit erneuerten. Der Frühling erscheint
in Gestalt der mit einem Blumenkranz gekrönten Flora, die mit ihrer Linken
einen Blumenkorb über der Hüfte trägt. Das dünne Kleid lässt die Brust frei.
Der Mantel bedeckt ihre linke Schulter, den linken Arm, einen Teil des Rückens
und ihren Körper von den Hüften abwärts. Ihr linkes Standbein ist teilweise
unbedeckt; sie ist barfuss.
Beim Vergleich … Versailles
und Linderhof fallen die Unterschiede der Physiognomien auf: In Versailles hat
Flora ein klassisches, idealisiertes Gesicht, in Linderhof wirkt es porträthaft
und natürlich."
"Auch bei der Figur des Sommers hielt sich LeBrun
mehr an mittelalterliche Monatsdarstellungen als an die Vorgaben Ripas, der
diese Jahreszeit als ein mit Kornähren bekröntes junges Mädchen beschreibt, das
er mit einer brennenden Fackel versieht, um die große Hitze, die die Sonne im
Sommer verbreitet, anzudeuten. Allerdings könnte man auch hier, wie beim
Winter, an eine Götterdarstellung denken, nämlich an die der Ceres, die mit
ihren Attributen, den Getreidegarben, wie bei den Versailler
Jahreszeiten-Brunnen, als Personifikation des Sommers dienen kann. In
Versailles und Linderhof ist der Sommer eine junge Frau, die eine Sichel in
ihrer erhobenen Rechten hält und eine aufgestellte Korngarbe mit ihrer Linken
fasst. Geringe Unterschiede weist die Faltung der hochgeschlossenen und bis zu
den Füßen reichenden Kleider auf."
"Die Versailler Figur des Herbstes in Gestalt des
Bacchus … wirkt schlanker, weniger muskulös und hochgewachsener als die
entsprechende Linderhofer Figur; die Hüfte über dem rechten Standbein ist in
Versailles weniger ausgestellt. Bacchus stemmt seine Rechte in die Hüfte, in
der erhobenen Linken hält er einen verzierten Pokal. Sein Haupt ist mit
Weinlaub und Weintrauben bekränzt. Das Gewand schlingt sich um den erhobenen
linken Arm und seine Hüften; es fällt in Linderhof hinter der Figur sehr breit
zu Boden und dient zusammen mit dem ebenfalls stark vergrößerten Weinkörbchen
neben dem rechten Standbein als kräftige technische Stütze. Der überquellende
Weinkorb ist reich mit Weintrauben und eingesprengten Blättern gefüllt ..."
"Die Figur des Winters in Linderhof
unterscheidet sich vom Versailler Vorbild vor allem durch das Gesicht und die
Draperie: Der Mantel ist zwar in gleicher Weise um Körper und Haupt gewunden
wie in Versailles, doch weniger reich an Falten und Verschlingungen und wirkt
dadurch ärmlicher; er fällt hinter den Beinen bis zum Boden, die Holzscheite
sind weggelassen. Das Gesicht des Alten ist in Linderhof viel hagerer; der Bart
wirkt weniger gepflegt, die Barthaare strahlen zottelig nach allen Seiten aus,
während sie an der Versailler Figur in mehreren sorgfältig gelegten lockigen
Strähnen nach unten fallen … die Linderhofer Version [erweckt] gerade wegen
eines etwas stärker gekrümmten Rückens, des ungepflegten Bartes, des
einfacheren Mantels und der fehlenden Holzscheite stärker den Eindruck eines
gebeugten, auch wegen seiner Armut frierenden Greises."
Verweise:
1) Rolf Kurda:
"Garten- und Bau-Plastik unter König Ludwig II. Linderhof und
Herrenchiemsee" (2009)
²) Charles LeBrun (1619-90) leitete die Arbeiten
zur Ausstattung der Schlösser Vaux-le-Vicomte und Versailles und war einer der
bedeutendsten und prägendsten Künstler des Stiles Louis XIV
³) Cesare Ripa (~1555-1622) verfasste 1593 ein
ikonografisches Wörterbuch, das zu einer unerschöpflichen Quelle für Kunst und
Literatur des Barock geworden ist.
Anm.: Das
Foto der Winter-Figur ist wegen der ästhetischen Wirkung der Montage vertikal
gekippt
./.
Mehr an Auskünften und weitere Beispiele …
• liefert z. B. Seemanns Lexikon der Kunst (Bd.2, S.446/7):
"… der Wechsel der vier
Jahreszeiten und deren regelmäßige Wiederkehr wurden zum Symbol der Zeit, der Vergänglichkeit
und des Kreislaufes von Werden und Vergehen, von Leben und Tod." Obwohl
das Thema schon in der Antike gestellt wurde, gab es erst ~1565 mit P. Brueghel
d. Ä. umfassende Darstellungen jahreszeitlicher Landschaften.
• Einzelne Skulpturengruppen ab dem Barock nennt die Wikipedia:
•• im Rokoko-Garten, Schloss Veitshöchheim, südl. Ovalkabinett (F. Tietz,
1765);
• Die Tradition der Jahreszeiten-Darstellung scheint im vergangenen 20.
Jahrhundert weitgehend versiegt zu sein … oder doch noch nicht ganz?
• In vielen Touristenführern über Dresden liest
man eine peinliche Verwechslung: die
Skulpturengruppe an der Treppe vom Schlossplatz auf die Brühlsche Terrasse stellt nämlich
die Vier
Tageszeiten Morgen, Mittag, Abend und Nacht dar (Schilling, in Stein
gehauen 1868; in Bronze nachgegossen 1908).