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Flieder (Syringa vulgaris),
kultiviert im Botanischen Garten der Universität Wrocław
Foto: Agnieszka Kwiecień, 15.05.2010;
via wikimedia.commons; Liz.: CC BY-SA 4.0
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Immer wieder im Lenz
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Villanelle -
Im Lenz blüht jedes Jahr der blaue Flieder;
betörend füllt sein Duft die Frühlingsluft
und Vögel putzen munter ihr Gefieder.
Sie zwitschern schon am
Morgen ihre Lieder,
eh schon der Hahn kikeriki! laut ruft.
Im Lenz blüht jedes Jahr der blaue Flieder.
Ein Staunen ist zu spüren immer wieder –
ein Hauch nur dieser leichte Fliederduft
und Vögel putzen munter ihr Gefieder.
Auch wir, wir strecken unsre steifen Glieder,
die ausgestiegen aus der Wintergruft.
Im Lenz blüht jedes Jahr der blaue Flieder.
Die blauen Dolden wippen auf und nieder,
vom Wind bewegt, der federleicht sie knufft
und Vögel putzen munter ihr Gefieder.
Ich atme tief, schließ meine Augenlider;
der Lenz ist da, der Winter ist verpufft.
Im Lenz blüht jedes Jahr der blaue Flieder
und Vögel putzen munter ihr Gefieder.
© lillii (Luzie-R)
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Zur Gedichtform der
"Villanelle":
Die Villanelle kommt aus Frankreich. Sie behandelte zunächst den bäuerlichen
Alltag und Kirchenthemen in einfacher, direkter Sprache und
fröhlich-übermütiger Stimmung. Soweit man ihr Reimschema befolgt bzw. einhalten
kann, gehen mit ihr aber auch durchaus andere Themen abzuhandeln – wie hier und
später gezeigt wird.
Im Deutschen wird als Versform
der jambische Fünffüßler in vollständiger (Zehnsilbler), übervollständiger
(Elfsilbler) Form oder aus beiden Formen gemischt bevorzugt. Entscheidend ist aber
das Reimschema, das der Hobby-Dichter kaum ohne ein gutes Reimlexikon wird
umsetzen können.
Die Villanelle besitzt 5 Terzette und 1 abschließendes Quartett, besteht also aus insgesamt 19
Versen, ABER sie hat mit nur zwei
Reimsilben a, b auszukommen!
Jedes Terzett hat die Form aba, das Quartett die Form abaa. Die Reimwörter
b verreimen also übergreifend die 6 Strophen miteinander!
Die beiden a-Reimwörter des 1. Terzetts, 1a und 2a haben die Aufgabe,
die Strophen mit einem Refrain auszustatten: der 1a-Vers wird als 3. Vers in
der 2., 4. und 6. Strophe, der 2a-Vers als letzter Vers in der 3., 5. und 6.
Strophe vollständig wiederholt wird.
Damit ist das Reimschema festgelegt
als:
1ab2a
/ ab1a / ab2a / ab1a / ab2a /ab1a2a
Die Anzahl unterschiedlicher a-Reimwörter verringert sich daher um die
3+3 in den "Refrain-Zeilen": es
werden für die 13 a-Verse nur 7 verschiedene a-Reimwörter gebraucht, während
die 6 b-Reimwörter natürlich alle verschieden sein sollten.