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Dienstag, 21. April 2020

Die Fackel der Wahrheit – gut als Motto!

Bildhauer Detlef Kraft: Lichtenberg-Denkmal in Darmstadt (2017 *)

Der bekannte Aphorismus Lichtenbergs,

des sarkastischen Spötters und Erfinders der deutschsprachigen Abteilung dieses literarischen Genres, kann sehr wohl als ein persönliches Motto dienen.
Einerseits, weil es immer Gedränge infolge der vielen Ewig-Bärtigen gibt; andererseits weil immer zu wenig Fackelträger zwecks Erhellung unterwegs sind. Aber die bringen es eben fertig, manchen der Bärtigen Feuer unter den Arsss … Verzeihung! - den Bart zu versengen!
Die Verse – genauer: die Zeilen – hier drunter zeigen außerdem, wie man heutigentags nicht nur Reim- und Rhythmusstruktur eines Gedichtes auflöst. Nein, man kann auch die dritte heilige Kuh, seine Zeilenstruktur und -gebundenheit und mit ihr den Argumentationsstil auf die Schlachtebank treiben.
Und trotzdem auf dem Status "Gedicht" bestehen! Also gut: Pseudo-Gedicht!

Chromolithographie aus der rumänischen sozialistischen Zeitschrift
Lumea Nouă Ştiinţifică şi Literară von 1895 **).
Foto: Tantal; Quelle: Wikimedia Commons, Liz. gemeinfrei


 Die Fackel der Wahrheit
– Lichtenbergs Aphorismus –

Da reichlich oft – und nicht so ohne Grund - man dachte,
Dass ein gestandner Philosoph es doch vermag,
(wiewohl der selber sich vielleicht ins Fäustchen lachte)
der Dinge wahres Antlitz brächte an den Tag.
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ../.

Es sei fast unmöglich, hatte belustigt unser Philosoph
konstatiert, die Fackel der Wahrheit durch ein dichtes
Menschengedränge zu tragen, ohne dabei jemandem
den Bart zu versengen. Ein unabwendbares Geschick!
Gedränge – das war immer etwas Physisches,
heute ist es dagegen öfters auch virtuell.

Dabei müsste die Fackel, um vorangehend leuchten
zu können, ja selbst bereits an einem brennenden
Feuer entzündet worden sein, wofür es durchaus und
schon von alters her die unterschiedlichsten Wege gab.
Der Feuerbohrer der Primitiven leistete das;
heute genügt simples Zuschalten an ein Netz.

In der Menschenmenge unterlagen die Beteiligten
alle auch unmittelbaren körperlichen Pressionen,
während sich die modernen Gruppierungen eher
ideellem Zwang und diktiertem Procedere beugen.
Oder sieht da jemand im Fraktionszwang von
Abgeordneten etwas anderes als Pressionen?
. . . . . .
Natürlich kam vor Zeiten schon und wellenweise
Immer wieder Bartschmuck gänzlich aus der Mode,
der eigentlich seinem Träger zur Zierde gereichte,
aber von der Lohe hätte versengt werden können,
Scheinen bartlose Gesichter nicht geradezu
die Menge einheitlich gesichtslos zu machen?

Über diesen wirklichen Begleiterscheinungen für
den Weg einer Fackel ist ihre eigentliche Aufgabe
leicht aus den Augen zu verlieren – so vielseitig,
wie die Welt ist, nämlich: Wahrheit voranzubringen
Soll eine Aussage Wahrheit für heute sein,
erkennt man das daran, dass sie - sengt!
.
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . ../.
Nun hat die Wahrheit auch kein Lichtenberg gepachtet,
Obwohl der manch Gedanken scharf artikuliert.
Sooft man ihn deshalb auch zu zitieren trachtet,
passt auf, dass ihr euch selber nicht verspekuliert!

© versemacher (2009; Neufassung 2014; überarbeitet 2020)
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*) Das Lichtenberg-Denkmal
wurde anlässlich des 275. Geburtstages von G. Chr. Lichtenberg am 1. Juli 2017 vor dem Georg-Christoph-Lichtenberg-Haus in Darmstadt enthüllt. Diese Skulptur schuf der Bildhauer Detlef Kraft. Quelle: via Wikimedia Commons. Liz.: CC BY-SA 4.0.

**) Bildbeschreibung bei Wikimedia auf Englisch:
A torch bearer, wearing a phrygian cap and a sword marked "Universal Suffrage", tramples upon four snakes (named "Exploitation", "Militarism", "Corruption" and "Ignorance"). She is leaning on a rock marked "8-hour Day", above which is a red flag with the paraphrased Marxist slogan "Proletarians from All Countries Unite". The three strips of cloth tied to the mast read, from left, "Brotherhood", "Liberty", "Justice". At the foot of the rock are agricultural utensils and a bundle of grain. The open book in the foreground is Karl Marx's Das Kapital, and the open one to its right reads "Union Makes Strength". In the background, over the anvil and cogwheel, a rising sun marked "The World of the Future". [nach Wikimedia]

Quelle für diesen Lichtenberg-Aphorismus:
Lichtenberg, Schriften und Briefe, Bd. 1, 1968, und Bd. 2, 1971 (Ausgabe von Wolfgang Promies). Die Lichtenberg-Gesellschaft listet den Aphorismus in ihren Auszügen aus den Sudelbüchern im Teil G als /G 13/ auf.
Abgedruckt ebenfalls in:
Gisbert Haefs (Hg): G. Chr. Lichtenberg – Sudelbrevier: Haffmanns Verlag 1988 S.95

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