Hier schreiben Hobbydichter für Lyrik-Freunde – meist Gereimtes und nur Druckreifes! Willkommen also, viel Vergnügen mit unseren Gedichten und deren Bebilderung!

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Bereits seit Jahresbeginn bringen wir neue Folgen an Kalenderblättern und Monatsbildern. Darum herum dann das, was sich an Einfällen so ergibt – man wird sehen! Nun ja, was man auch sieht: wir "unterschlagen" seit einer ganzen Weile auch einen gewissen Anteil an sanfter Erotik nicht länger - die Zeiten sind eben so ...

Wir teilen den Lesern unseres Versbildners mit und bitten um Verständnis, dass wir auch weiterhin das monatliche Angebot auf 6 Beiträge beschränken - die Kontaktarmut dieser Zeit bringt leider auch eine gewisse Ideenarmut mit sich. Neueinstellungen erfolgen damit um die Kalendertage des 1., 6., 11., 16./17., 21./22., 25.-27. eines Monats.

Donnerstag, 30. April 2015

Morgendämmerung – Bücherschicksale (1/3)

Beginn des Buches "Genesis" in der Gutenberg-Bibel (1454)
Standort: Staatsbibliothek Berlin; Quelle: wikimedia/commons; Liz.: gemeinfrei

Denen gewidmet, die es lebenslang zu den Büchern zieht!

Bücher haben ihre Schicksale – (1/3)
Habent sua fata libelli.

I. Morgendämmerung

Nicht vom Papyrus und nicht über Pergamente
geht hier die Rede - da regierte Schreibers Hand.
Erst als der Gutenberg zu Mainz den Druck erfand,
da kamen Bücher unters Volk wie Dokumente.

Ein paar Jahrzehnte brauchte es noch an Erfahrung,
und was vor fünfzehnhundert schien besondrer Schmuck,
ist heute Seltenheit; sie heißt nun Wiegendruck.
Den Reformierten galt das Buch als Offenbarung.     

Selbst in den dunklen Jahren Dreißigjähr'gen Krieges
verfasste Opitz deutsch uns die Poeterey.
Von seinen Regeln zehrt noch heut' die Reimerei:     
der Ignorant geht schnell verlustig eines Sieges.

© elbwolf (2014/15)


• • • Sternstunden • • •

Gutenberg (1397/1400 – 1468): 42-zeilige "Gutenberg-Bibel" (B42), 1454/6

Luther: NT; deutsche Übersetzung in Erst-Ausgabe 1522
Martin Opitz (1597 – 1639): Buch von der Deutschen Poeterey, 1624


Martin Opitz: Buch von der Deutschen Poeterey, 1624.
Faksimile aus dem Neudruck von Niemeyer, 1955 (im Besitz des Autors).

Höhenflug – Bücherschicksale (2/3)

Titelseite des ersten Bandes der Encyclopédie (1751)
Quelle: [http://ets.lib.uchicago.edu/ARTFL/OLDENCYC/images]; Liz.: gemeinfrei



Denen gewidmet, die es lebenslang zu den Büchern zieht!

Bücher haben ihre Schicksale – (2/3)
Habent sua fata libelli.

II. Höhenflug

Das Sortiment zerfloss allmählich in die Breite:
es kam die Aufklärung, mit ihr auch Sturm und Drang,
ein Casanova stimmte neuen Minnesang,
der Artenkampf beschrieb des Lebens andre Seite.

Die Bücher, die einst Privileg gehobner Leute,
die wurden später zum erschwinglichen Besitz.
Vom Leser fordert Lesen nicht den Geistesblitz,
viel eher Blick nicht nur allein für hier und heute!

Erinnert euch, als Bücher lichterloh verbrannten,
das Land versank auf Jahre in der Barbarei,
die Dichter, die mitsamt den Werken vogelfrei,
sich langsam wieder reihten unter die bekannten.

© elbwolf (2014/15)
Der zweibändige Erstdruck 1901 / Foto Wikipedia H.- P. Haack
Titel und Autor in Goldprägedruck auf Vorderdeckel und Rücken, Kopfgoldschnitt.
Jugendstildekor in schwarzem Prägedruck auf Vorderdeckel und Rücken, Verlagssignet (S. Fischer) in schwarzem Prägedruck auf dem Hinterdeckel.
* * * Sternstunden * * *
• Diderot / d'Alembert: Encyclopédie ou Dictionnaire raisonné, 1751-80 •
• Johann Wolfgang von Goethe: Die Leiden des jungen Werthers, 1774 •
• Casanova: Histoire de ma vie (Memoiren), 1789-98; Drucke: 1822; 1960-62 •
• Code civil (CC), durch Napoleon Bonaparte eingeführt am 21.03.1804 •
• Charles Darwin: On the Origin of Species, 24.11.1859 •
• Karl Marx: Das Kapital, 1867 (Band1) •
• Leo Tolstoi: Krieg und Frieden, Moskau 1868-69 •
Thomas Mann: Buddenbrooks. Verfall einer Familie. 26.02.1901, 2 Bde.
^ Nobelpreis
für Literatur 1929 ^

Abendrot – Bücherschicksale (3/3)

Pariser Bouquinisten, hier am Quai de la Mégiserie, Nähe Notre Dame
Foto: Sini Merikallio, 8.10.2011. Quelle: wikimedia/commons; Liz.: CC 2.0 gen.
"Die Seine ist der einzige Fluss in der Welt, der zwischen zwei Bücherregalen fließt."


Denen gewidmet, die es lebenslang zu den Büchern zieht!

Bücher haben ihre Schicksale – (3/3)
Habent sua fata libelli.

III. Abendrot

Die multimediale Zeit mit all dem Neuen
kann Segen sein - wird unversehens vielleicht Fluch,
wenn nach gedrucktem und dem vorgelesnen Buch
wir nun das elektronische erst einmal scheuen.

Autoren schreiben so, als seien sie versessen,
die Druckerpressen sind im Wettlauf gegen Zeit,
manch nagelneues Buch erhält sofort Geleit
zum Supermarkt und wird am Wühltisch schnell vergessen.

Ja staune, Bücherfreund, du sollst ihn lieb behalten,
den grade aufgegriffnen Schatz in deiner Hand.
Ein Buch hat eignes Schicksal - doch verknüpft ein Band
es leicht mit deinem: besser trotzt du dann Gewalten!

© elbwolf (2014/15)


* * * Sternstunden * * *
• Heinrich Mann: Der Untertan (1918, Buchausgabe) •
• Franz Kafka: Der Prozess (1925) •
• Antoine de Saint-Exupéry: Der kleine Prinz (1943, New York) •
• Anne Frank: Das Tagebuch der Anne Frank (25. Juni 1947, Niederlande) •
Ernest Hemingway: Der alte Mann und das Meer (1952)
^ Nobelpreis für Literatur 1954 ^
Winston Churchill: Meine frühen Jahre (1930) / Der Zweite Weltkrieg (1948 ff) •
^ Nobelpreis für Literatur 1953 ^
• Vladimir Nabokov: Lolita (1955, The Olympia Press, Erstausgabe) •
• Gabriel García Márquez: Hundert Jahre Einsamkeit (1967, Buenos Aires) •
^ Nobelpreis für Literatur 1982 ^
• Alexander Issajewitsch Solschenizyn: Der Archipelag Gulag (28.12.1973, Paris) •
^ Nobelpreis für Literatur 1970 ^
• Heinrich Böll: Die verlorene Ehre der Katharina Blum (1974, Erzählung) •
^ Nobelpreis für Literatur 1972 ^
• Umberto Eco: Der Name der Rose (1980) •
• Stephen Hawking: Eine kurze Geschichte der Zeit (1988) •
• J. K. Rowling: Harry Potter (26. Juni 1997, Bd. 1) •
• Michel Houellebecq: Elementarteilchen (1998) •
Ein Antiquariat in Frankfurt-Höchst
Foto: Eva Kröcher, 23.12.2008; Quelle: wikimedia/commons; Liz. GNU&CC
Ein paar Links zum Stöbern:
• Die hundert besten Bücher des 20. Jahrhunderts nach der Zeitung "Le Monde"
ZEIT-Bibliothek der 100 Bücher
• Die 100 besten Bücher des 20. Jahrhunderts nach AbeBooks.de
• Bildersammlung über die Pariser Bouquinisten – live und in der Kunst

Mittwoch, 29. April 2015

Eigenwillige Geburtstags-Statistik



Eigenwillige Geburtstags-Statistik
Freie Strophen in "Brikettform" *)

Wenn Frauen ein Kind zur Welt bringen, haben sie für die-
­ses natürlichste aller Ereignisse sehr verschiedene Worte.
Am bildhaftesten heißt es, wie ich finde, bei der Französin:
Donner le jour à un enfant - einem Kind den Tag schenken.

Am Tage dieses Beschenktwerdens treten wir ins Leben.

In Zeiten mit statistisch gesicherten Verläufen endet für je-
­weils etwa drei unter jedem Tausend von uns das Leben
auch an genau dem Tag, der eigentlich der Mutter Ehren-
­tag sein sollte, aber als unser Geburtstag begangen wird.

Für alle anderen neunhundertsiebenundneunzig in diesem
Tausend bricht der Weg zwischen zwei Geburtstagen ab.
Von den meisten wird man sagen, dass sich ihr Leben im
übertragenen Sinne – nicht nur im direkten – erfüllt habe.

Der Tag dieser Erfüllung scheidet uns vom weiteren Leben.

Über ein Nach-Leben werde ich nicht spekulieren, will aber
noch eine Überlegung mitteilen. Am Rand einer der Auen
eines Karstgebietes besuchte ich ein über viertausend Jah-
­re altes Steinkistengrab einer neolithischen Ackerbausippe.


Ich hoffe, die Jungsteinzeitler nicht sehr gestört zu haben.-
Sicher bin ich mir allerdings, dass niemand in viertausend
Jahren neugierig die Stelle suchen wird, an die man mich
dereinst bettet. So vergänglich sind nun einmal die Zeiten.

elbwolf, 27.04.2015

© für obiges Foto beim Verfasser (April 2015).
Titel: Urgeschichtliches Steinkammer­grab Etteln, Gemeinde Borchen.
Einst standen die Wandsteine der 22 m langen Grabkammer senk-
recht, hatten eine Decke aus Kalksteinplatten mit einem darüber auf­-
geschütteten Erdhügel. Funde sind in der Wewelsburg ausgestellt.

*) Die Bezeichnung "Brikett-Strophe" habe ich mir selbst ausgedacht,
aber die Form habe ich mir bei Ulf Stolterfoth abgeschaut, meinem
Mentor in einem Lyrik-Seminar. Verwendet habe ich sie früher auch
schon, z. B. in "Auf einen Aphorismus Lichtenberg’s
".

Dienstag, 28. April 2015

Von Alphatieren



Von Alphatieren 
(laut Duden was Zoologisches;
nach Wikipedia nicht ganz!)

Als Eigenart von Lebewesen
zeigt sich, dass in so manchem Treff
nur einer schwingt den Kehraus-Besen:
von diesem Trupp ist er dann Chef.

Der Posten oben an der Spitze
ist für gewöhnlich recht begehrt,
und wer bloß kleiner Nörgelfritze,
dem bleibt solch hohes Amt verwehrt.

Falls nun durch wechselnde Geschicke
besagte Stelle mal vakant,
so richten sich gestrenge Blicke
auf alle, die neu hergerannt.

Die nimmt man zügig in die Mangel
und bringt ihnen Benehmen bei;
im unvermeidbaren Gerangel
geht manches Porzellan entzwei.

Dann folgt im Buschfunk neue Kunde,
die alle Mitbewerber schockt:
sie hätten ihre Gunst der Stunde
an einen Newcomer verzockt.

Viel später glätten sich die Wogen,
herrscht wieder Ruhe im Quartier:
wer einst zu kämpfen ausgezogen,
schart sich ums neue Alphatier!



Bei dem Gorilla-Silberrücken
könnt ich die Sache ja verstehn:
um seinen Harem zu beglücken,
darf keiner ihm im Wege stehn …

elbwolf, 26.04.2015

Zum Bild:
Der nachdenklich gestimmte Silberrücken ist auf einem Foto von Dozyg aus dem Jahre 2006 zu sehen;
Quelle: wikimedia/commons; Lizenz: gemeinfrei.
Originale Bildunterschrift:
Male western lowland gorilla contemplating life, the universe, and bananas (The Thinker).
Port lympne wildlife park.

Montag, 27. April 2015

April – ein Monatsbild

PC-Grafik-Mix: Osterhasen auf Niveau "Industrie 2.0"                      © saxonia44 ipse fecit
Quelle: Legebatterie und Hasen aus wikimedia/commons – nachgenutzt, da lizenzfrei.
April

Wer mag es schon, wenn man ihn vorsätzlich verschaukelt –
Denn mit den Hasen hat man uns was vorgegaukelt …
Wo nehmen sie die buntbemalten Eier her so schnell,
Und zwar in Mengen, wie man's grade haben will?
In Wahrheit produzieren Hasen längst industriell:
Wer da noch einfältig was andres denkt – April! April!

./.

Kleine weltliche April–Agenda

Monat von unklarer Herkunft
"
April" zu sagen, ist schon fast ein Scherz.
Woher der Name? Da sind wir verlegen ...
doch Karl der Große fasste sich ein Herz
und hieß ihn Ostermond, des Festes wegen.

Aprilwetter
So wetterwendisch schafft kein Renommee!
Mal Regen, Sonnenschein, dazwischen Schnee;
mal trüb und rau, dann wieder hell und mild: 
da steht gleich fest – des Menschen Ebenbild.

Wird der Sommer nass oder trocken?
Blüht die Eiche vor der Esche,
gibt es eine große Wäsche –
blüht die Esche vor der Eiche,
gibt es eine große Bleiche.

Fastenzeit – ade!
Täglich zu essen kann ganz schön belasten!
Ganzjährig hat dieses Thema drum Boom:
einerseits bringt es persönlichen Ruhm,
andrerseits sind vierzig Tage zu fasten!
Nun aber drehn wir wie vorher die Leier:
her mit dem Mahl für die hungrigen Geier!

Osterhasen
Die Osterhasen gaben spät ihr Dasein kund,
doch hundert Jahre früher als der Weihnachtsmann!
Vergeblich forscht man aber bislang nach dem Grund,
wie man sie fürs Geschäft mit Eiern denn gewann.

Osterpostkarten – Kulturdokumente


Wie gut, dass Österreich am 1. September 1869 die Bildpostkarte einführte! England und Deutschland zogen bald nach, dann andere Europäer, und drei Jahre später auch Paris! Weltmeister bei Druck und Verbreitung waren bald – na wer schon – die Deutschen! Sie druckten für die anderen mit, evtl. auch die französische Osterkarte, von der dieser Ausschnitt stammt. Sie ist um 1905 postalisch gelaufen und mehrfach im Web abgebildet – mit und ohne Marke, mit und ohne Geschreibsel; lizenzfrei. Wovon aber legt sie für uns Heutige Zeugnis ab? Vom kolossalen Fortschritt bei der Ostereierproduktion in nur hundert Jahren! Was für ein Eierstrom könnte aus diesem armseligen Ställchen von einst schon hervorgehen? Dagegen kündet das Bild oben im Kalenderblatt von einem derartigen Wachstum, dass man sich fragen muss, wohin die Berge von abgepellten Eierschalen eigentlich gehen … die müssten doch über uns zusammenschlagen. Aber nur keine Beunruhigung: die Schalen exportieren wir bestimmt irgend wohin in die weite Welt … also: "fleißiges Pellen und frohe Ostern"!