Notabene: Fortsetzung der losen Folge von Gedichten, die ihre Verfasser/Innen in
Mundart schreiben. Der Begriff mag für Sprachwissenschaftler etwas unscharf
sein – hier steht er für Gedichte, die man in solcher "Würze" nur in
"Regionalsprachen" findet. Auch sind sie den formalen poetischen
Auflagen durch das Hochdeutsche weit weniger (oder nicht) verpflichtet.
Für Unkundige, die gar manches Mal "begriffsstutzig" sein würden,
gibt es im Fall der Fälle eine hochdeutsche Übertragung (wenn gereimt, in dabei
üblichen Akzent- oder Knittelversen).
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Teichrosen auf
dem See in einem Vogelschutzgebiet
Foto&©: Oksana Golovko, 29.07.2013; Quelle: wikimedia.commons; Liz.: CC
BY-SA 3.0
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Vor e paar Wuche (1991)
Vor
e paar Wuche händ
d Teichrose dusse em Weijer
no blüeht ond en Fischer hät
stoisch uf en Bess g warted.
D
Libälle händ tanzend
ond nomol Hochzit g fired,
wie
wänn si g wüsst hätted,
dass
eri Zit bald verbi esch.
Es
flocked, Nordloft loht schudere;
d Bank bem Feschstäg esch läer.
Näbelschwade liged uf em Wasser;
es dampfd we inere Häxechuchi.
Jo,
d Libälle händ recht g ha
vor e paar Wuche.
Churz abonde (1992)
We goht s?
S goht.
We spoht esch es?
Spoht.
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Besch
zwäg?
Schoh. Ond du?
Ech au.
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Chan
ech dr hälfe?
Worum?
Ech ha nume g meint.
Aha dorum.
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D
Narre sterbed us
(1995)
Früehner hät mer g säit
d Chind ond d Narre
säged d Worret.
D Chind säged sie hütt noh
d Narre stärbed us.
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Wie
doch d Zit vergoht
(2015)
Früehner
ben i de Zit
emmer wiit voruus g si.
Hüt
lauf ech ere hindeno.
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© Ernst Blumenstein
(aus den Jahren 1991
– 2015)
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Unsere heutiger Gast wurde
1942 in der Gemeinde Baden im Kanton Aargau, Schweiz, geboren; Baden liegt
wenig südlich vom Mittelstück des Hochrheins. Beruflich ein Tausendsassa, von
den Neigungen ein Weltenbummler; lebt Ernst jetzt als Rentner in Tägerig a. d.
Reuss im gleichen Kanton.
Er schreibt seit längerem
Mundart-Gedichte in der südlichsten Version des Alemannischen (vereinfacht
Schwyzerdütsch genannt), die er seit einiger Zeit als Jahresgaben der Familie
und Freunden schenkt.
Ernst führt einen Internet-Blog über Gott und die Welt, über Reisen,
Natur, Begebenheiten usw.
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Übertragung (keine Nachdichtung!) in
"Schriftdeutsch":
??? "Häxechuchi" - "besch
zwäg?" – "Worret" – "hindeno" ???
Hier drunter findet sich der Rätsel Lösung!
Vor
ein paar Wochen
(1991)
Vor
ein paar Wochen haben
die Teichrosen draußen am Weiher
noch geblüht und ein Fischer hat
stoisch auf einen Fischbiss gewartet.
Die
Libellen haben getanzt
und
nochmals Hochzeit gefeiert,
wie
wenn sie gewusst hätten,
dass
ihre Zeit bald vorbei ist.
Es
tröpfelt, Nordluft lässt einen frösteln;
die Bank beim Fischersteg ist leer.
Nebelschwaden liegen über dem Wasser;
es dampft wie in einer Hexenküche.
Ja,
die Libellen hatten recht gehabt
vor ein paar Wochen.
Kurz angebunden (1992)
Wie
geht's?
Es geht.
Wie spät ist es?
Spät.
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Bist
du auf dem Damm?
Schon. Und du?
Ich auch.
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Kann
ich dir helfen?
Warum?
Ich hab nur so gemeint.
Aha, darum.
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Die Narren sterben aus (1995)
Früher hat man gesagt
die Kinder und die Narren
sagen die Wahrheit.
Die Kinder sagen sie heute noch
die Narren sterben aus.
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Wie doch die Zeit vergeht (2015)
Früher
bin ich der Zeit
immer weit voraus gewesen.
Heut
lauf ich ihr hinterher.
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Nach den alemannisch/schwyzerdütschen
Originalen von Ernst Blumenstein