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Jean-Baptiste
Camille Corot (1796–1875):
Orpheus führt Eurydike aus der Unterwelt (1861);
The Museum of Fine Arts, Houston; gemeinfrei
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Dichter im Auf- und
Abschwung
(Limerick-Ballade)
Ein Dichter kommt
manchmal zur Meinung,
man sei schon bei seiner
Beweinung,
und hält ihn für tot
oder schrecklich marod –
dann tritt er sogleich
in Erscheinung.
Doch leicht geht das gar
nicht zu machen,
es hindern ihn stets
solche Sachen:
ein fehlendes Thema,
für Reime kein Schema –
rein nichts will so
richtig mal krachen!
Das Thema liegt
schließlich am Wege
und meist nicht nur
eins: ein Gelege –
man muss sich nur
bücken!
Vor lauter Entzücken
wird unser Poet richtig
rege!
Er sucht nach dem
passenden Wort,
er prüft und er wirfts
wieder fort,
um dann zu erfinden
in langem Sich-Winden
ein neues – das holt er
an Bord.
Die Reime sind wahrlich
ein Fluch;
der Dichter entnimmt sie
dem Buch –
egal, ob man's merkt:
der Vers scheint
gestärkt,
und meistens gelingt der
Versuch.
Der Dichter kommt
endlich zum Dichten:
das Werk, das er hofft
zu verrichten
durch emsiges Schreiben
soll dauerhaft bleiben …
der Nächste schon -
ätsch – wird's zernichten.
elbwolf, 09/2018
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Nach dem ersten Posten an anderer Stelle
kam es zu einem
Meinungsaustausch mit verschiedenen
Lesern, denen ich
mit weiteren Limericks antwortete:
Du meinst, dass die Dichter viel denken?
Wie wollen sie Dichtung sonst lenken?
Die
Vielfalt alleine
hilft nicht auf die Beine –
da könnt' man die Dichtung sich schenken!
Ein Reim, der nicht reimt, den ich fresse,
der wäre sofort für die Esse!
Ein wenig
mehr Kunst
und nicht blauen Dunst –
das sag ich an Reimers Adresse!
Natürlich
sind kreuzlahme Oden
bei manchen Poeten in Moden:
geschmückt
mit viel Federn,
doch leider ganz ledern –
dem
Fass haut's heraus seinen Boden!
Mein Dichter tut erst einmal schauen,
erst dann geht er heimlich was klauen,
er nimmt
nur das Beste,
lässt andern die Reste –
er will sich den Text nicht versauen!
Parodie gilt als beste Intrige!
Sie legt man dir nicht in die Wiege:
Lern sicher
zu treffen,
statt lauthals zu kläffen:
Was ist schöner als heimliche Siege?