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Jean-Louis Forain
(1852-1931): Die Seiltänzerin, ~1885.
Standort: Art Inst. of
Chicago; via wikimedia.commons; gemeinfrei
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Wie ein Artist
Das Leben geht voran mit eignen Riten
und fragt nicht, wie du ihm gewachsen bist.
Es läuft die Zeit – liest jedem die Leviten,
egal, glaubt er als Jude oder
Christ.
Ich wünschte mir zu sein wie die Artisten:
sie balancieren einzeln jeden Schritt
zum
Ziele hin. Das ähnelt meinen Fristen –
dass
ich nur ja nicht käme aus dem Tritt!
So hangel ich mich über Lebens-Seile,
setz Fuß vor Fuß zum unbekannten Ziel;
die Ungewissheit dauert manche Weile
und mutet an mitunter wie ein Spiel.
Doch ist es solches nicht, zu keiner Zeit –
man glaubt es nur aus Unbekümmertheit.
©
lillii (Luzie-R; 08/2019)
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Der chinesische Artist Zhang
Fan mit dem Einrad auf dem Schlappseil.
Urheber: Usien, 05.02.2010; via wikimedia.commons; Liz.: CC BY-SA 3.0
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Anmerkung:
Die Metrik des Gedichtes ist die eines englischen
Sonetts: drei einzelne Quartette, hier in Wechselreimung, und ein
abschließender Paarreim; insgesamt also 7 verschiedene Reimsilben; alle Verse
fünffüßig-jambisch.
Übrigens:
Mit Eigenversuchen lässt
sich feststellen, dass die Genauigkeit, mit der wir die Lotrichtung
feststellen können, etwa 1° beträgt! Daher genügt schon eine Kraft von 1–3
Prozent des Körpergewichts, um den Anfängen eines Ungleichgewichts
entgegenzuwirken. [nach Wikipedia]
Meine Teamkollegin Luzie möchte ich zu diesem Sonett beglückwünschen! Über die Metrik steht oben schon alles, aber das ist bei einem Sonett ja höchstens die Hälfte (s. STUMMER S.121). Die einzelnen Quartette sind in sich geschlossen und der Paarreimer am Schluss ist einfach ein textlicher Kontrapunkt, wie er genau an diese Stelle hingehört.
AntwortenLöschenIch denke, es ist eines unserer besten Gedichte auf Versbildner.
elbwolf