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Hans Volkert (1878-1940?):
Schwer herein schwankt der Wagen (1905);
via Wikimedia Commons; Liz.: gemeinfrei
So schnell geht's in den Stand nicht aus der Hocke –
darum erwartet jetzt kein "Lied der Glocke"!
1. Vorspann
Du bleibst dein ganzes Leben lang beim Fach,
für das du seit der Jugend dich begeisterst,
hast nie bezweifelt, dass du's einmal meisterst,
wenngleich es dir entlockt doch manches "Ach".
Nach Jahren Lehrling sein, dann als Geselle,
drückt man dir ein Papier in offne Hand,
das nennt mit Schrift und Siegel jene Quelle,
die künftig sprudeln wird in manchem Land.
Die Quelle nennt man Neudeutsch meistens "Job",
und leider ist darunter manch ein Flop.
Zudem behindern auch das Vorwärtskommen
stets die, die schlicht nur hinterhergeschwommen.
2. Widrigkeiten
Es lohnte, hättest du die fest im Blick
und nicht erst dann, wenn sie mit ihrer Tücke
schon angesägt die Pfosten jeder Brücke
und schon gedreht für deinen Hals den Strick.
Mach dir doch eins für immer klar, dass "jobben"
dem Dasein dient und nicht dem Wohlergehn;
ob du entkamst all denen, die gern mobben –
das wird man nämlich erst viel später sehn.
Was du dir wünschst, ist sicher ganz famos,
doch nur vom Wünschen geht noch gar nichts los.
Dann, später, sitzt du auf dem Goldnen Wagen –
und kannst die Konkurrenten überragen.
3. Balance
so darfst du dich an ihm jetzt etwas freuen,
die Zweifel am Erreichten sanft zerstreuen,
gesetzt, dass du auch niemand provozierst!
Du gründest kurz vor knapp die eigne Sippe,
du hast die Partnerwechsel schließlich satt;
du schneidest dir ein Auto aus der Rippe
und nimmst den angebotenen Rabatt.
Du schnupperst ständig irgendeinen Duft –
doch Vorsicht: es ist meistens heiße Luft!
Wenn du es schaffst, ein ganzes Jahr zu sparen,
so fahr zum Urlaub auf die Balearen.
4. Abspann
zum Nicht-mehr-zuzuhören und Vergessen
und grübelst, ob gesungen nun die Messen –
da wirst du langsam doch ein wenig bang.
Du schätzt die Höhe deiner Altersrente,
ziehst ab die Rate dann der Inflation
und fühlst: der Einzige, der stets nur pennte,
bist wieder du – doch ahntest du das schon.
Der "Friedrich" hat den Vers für uns gereimt:
der Wohlstand war's, der nun nicht länger leimt!
Und wer das hält für billiges Geschwafel,
der schau den Andrang nur bei jeder "Tafel"!
© elbwolf (WH., 15.04.2022)
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*) Lenau-Strophen oder Strophen à la Lenau nenne ich die flexiblen
Kombinationen der drei lyrischen Grundformen (gepaarte Reime,
gekreuzte bzw. Wechselreime, Umfassungsreime), wie sie Lenau
im Poem Ahasver verwendet. In der Verslehre von J. V. Stummer
heißen sie "einmal frei wiederkehrende Reime (dort s. S. 67).
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