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Bereits seit Jahresbeginn bringen wir neue Folgen an Kalenderblättern und Monatsbildern. Darum herum dann das, was sich an Einfällen so ergibt – man wird sehen! Nun ja, was man auch sieht: wir "unterschlagen" seit einer ganzen Weile auch einen gewissen Anteil an sanfter Erotik nicht länger - die Zeiten sind eben so ...

Wir teilen den Lesern unseres Versbildners mit und bitten um Verständnis, dass wir auch weiterhin das monatliche Angebot auf 6 Beiträge beschränken - die Kontaktarmut dieser Zeit bringt leider auch eine gewisse Ideenarmut mit sich. Neueinstellungen erfolgen damit um die Kalendertage des 1., 6., 11., 16./17., 21./22., 25.-27. eines Monats.

Sonntag, 12. Mai 2019

Das Kräutlein Nies-mit-Lust (Ballade)

Niesmitlust, lat. Sternumentum libidonensis Manfredi subsp. alba mult.
Abb.: Raritäten-Herbarium M. Albertus, 10.05.2019
(mit kollegialem Dank für die Abb. der seltenen Subspezies "alba mult.")

 Das Kräutlein Nies-mit-Lust (Ballade)
- nach Motiven eines Märchens von Hauff -

Ein Märchenkönig hatte zu Besuch
einst einen Gast, der als Gourmet bekannt.
Dem galt 'Geschmack' nicht als versiegelt Buch –
im Gegenteil, er war darauf gespannt,
was Königs Tafel denn zu bieten hätte:
"Ach … Bestes nur? – Dagegen eine Wette!"

Die Speisesäle sahn indes im Schloss
bei jedem Mahl, wie sich die Tafel bog,
wenn die Besucher samt dem ganzen Tross
den Bauch sich füllten – bis der Gast erwog,
dass an der Zeit es wäre für Pasteten –
da ahnte man, woher die Winde wehten ...

            Bald zwei Wochen stand am Feuer
            schon der Koch. Ganz ungeheuer
            schien des Gastes unstillbarer Appetit.
            Nichts bisher war irgend schimpflich,
 alles lief gottlob! recht glimpflich,
 nur Pasteten ließ er weg – nicht sein Gebiet.

Gerad in dem Moment ward nun der Koch
befohlen vor den König, wo der Gast
ihm sagte: "Kerl, kein aber und kein noch:
dein Essen liegt im Magen mir als Last.
Gleich morgen back Pastete Suzeräne –
sonst endet jählings deines Glückes Strähne."

            Wie der Koch sich gegenstemme –
            jetzt nun saß er in der Klemme:
            niemals hörte er zuvor von dem Rezept.
            Doch die Gans Mimi, die kannte
            Suzeräne und benannte,
            was dazu gebraucht – der Koch ward ihr Adept.

Den Folgetag verkündete im Rund
der Hofmeister als den Pasteten-Tag;
und wie die Zeiger wiesen Mittagsstund,
trug man beim allerletzten Glockenschlag
zur Tafel auch mit Pomp die Suzeräne –
der Koch, der Ärmste, litt schon an Migräne.

            Als der Gast sich niederbeugte,
            argwöhnisch das Mahl beäugte,
            klopfte gleich dem Koch das Herz bis hoch zum Hals.
            Nach Verkosten einer Probe,
            gabs nur Tadel, keine Lobe:
            "Kräutlein Nies-mit-Lust – das fehlt hier jedenfalls!"

Ganz fürchterlich war diesmal Königs Groll;
an Aufschub gab dem Koch er einen Tag:
"Ich dreh den Hals dir um – das Maß ist voll,
wenn morgen wieder niemand essen mag."
Doch hat die Gans Mimi dem Koch verraten,
dies Kraut, das wüchse zwischen den Salaten.           

Den Tag darauf geriet der hohe Gast
in sinnliches Entzücken – dergestalt,
dass an der Tafel ihn die Lust erfasst
zu niesen – und mit welcher Urgewalt!
Es kam zur Explosion der Kräuterdüfte,
was jedermann aufs höchlichste verblüffte.

            Nicht den Koch! Der ohne Weile
            griff Mimi an einem Flügel
            und mit ihr in Windeseile
            floh ins Land der sieben Hügel,
            wo er sie verzaubern ließ in eine Frau:
            sie nur kannte "Nies-mit-Lust" derart genau!

© elbwolf, 09.05.2019
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Anmerkungen:
• Die Themenwahl verdanke ich einer Eingebung, als ich an anderer 
Stelle eine Serie bedichteter Kräuter (etwa Waldmeister) von einer
mir bekannten Poetessa sah und überlegte, dass das ein genügend 
"weites Feld" wäre, um mich auch einmal daran zu erproben.
Ähnlich wie einst bei "Alle Vöglein sind schon da", wo ich auf den 
Archäopteryx verfiel, kam mir hier das Kräutlein Nies-mit-Lust in
den Sinn. 
Ich kannte es aus dem Zigarettenbilderalbum Deutsche 
Märchen (1939) mit 100 Illustrationen von Paul Hey (1867-1952), die
aber noch einige Jahre ©-geschützt sind. Mein Vater hatte mir, dem 
Vierjährigen, das Album übergeben, als er 1941 ins Feld ziehen musste.
Auf meine Anfrage im Albertus-Herbarium fand sich dort tatsächlich ein Foto der seltenen 
alba-Subspezies, das ich hier nachnutzen durfte.
• Die Gedichtform ist die einer Ballade "mit verteilten Rollen", wie das die unsterblichen 
Verse "Fest gemauert in der Erden ..." und "Er zählt die Häupter seiner Lieben ..." aufzeigen.
Rhythmus, Reimung und Verslängen sind daher in den beiden Strophenarten unterschiedlich 
festgelegt, was ein Deklamieren nicht gerade leicht macht. Aber nach dem zehnten Versuch 
sollte es ohne Versprecher gehen.

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