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Niesmitlust, lat. Sternumentum libidonensis Manfredi subsp. alba mult.
Abb.: Raritäten-Herbarium M. Albertus, 10.05.2019
(mit kollegialem Dank für
die Abb. der seltenen Subspezies "alba mult.") |
Das Kräutlein Nies-mit-Lust (Ballade)
- nach Motiven eines Märchens von Hauff -
Ein Märchenkönig hatte zu Besuch
einst einen Gast, der als Gourmet
bekannt.
Dem galt 'Geschmack' nicht als
versiegelt Buch –
im Gegenteil, er war darauf
gespannt,
was Königs Tafel denn zu bieten
hätte:
"Ach … Bestes nur? – Dagegen
eine Wette!"
Die Speisesäle sahn indes im
Schloss
bei jedem Mahl, wie sich die
Tafel bog,
wenn die Besucher samt dem ganzen
Tross
den Bauch sich füllten – bis der
Gast erwog,
dass an der Zeit es wäre für
Pasteten –
da ahnte man, woher die Winde
wehten ...
Bald
zwei Wochen stand am Feuer
schon
der Koch. Ganz ungeheuer
schien
des Gastes unstillbarer Appetit.
Nichts
bisher war irgend schimpflich,
alles lief
gottlob! recht glimpflich,
nur Pasteten ließ
er weg – nicht sein Gebiet.
Gerad in dem Moment ward nun der
Koch
befohlen vor den König, wo der
Gast
ihm sagte: "Kerl, kein aber
und kein noch:
dein Essen liegt im Magen mir als
Last.
Gleich morgen back Pastete
Suzeräne –
sonst endet jählings deines
Glückes Strähne."
Wie
der Koch sich gegenstemme –
jetzt
nun saß er in der Klemme:
niemals
hörte er zuvor von dem Rezept.
Doch
die Gans Mimi, die kannte
Suzeräne
und benannte,
was
dazu gebraucht – der Koch ward ihr Adept.
Den Folgetag verkündete im Rund
der Hofmeister als den
Pasteten-Tag;
und wie die Zeiger wiesen
Mittagsstund,
trug man beim allerletzten
Glockenschlag
zur Tafel auch mit Pomp die
Suzeräne –
der Koch, der Ärmste, litt schon an
Migräne.
Als
der Gast sich niederbeugte,
argwöhnisch
das Mahl beäugte,
klopfte
gleich dem Koch das Herz bis hoch zum Hals.
Nach
Verkosten einer Probe,
gabs
nur Tadel, keine Lobe:
"Kräutlein
Nies-mit-Lust – das fehlt hier jedenfalls!"
Ganz fürchterlich war diesmal
Königs Groll;
an Aufschub gab dem Koch er einen
Tag:
"Ich dreh den Hals dir um –
das Maß ist voll,
wenn morgen wieder niemand essen
mag."
Doch hat die Gans Mimi dem Koch
verraten,
dies Kraut, das wüchse zwischen
den Salaten.
Den Tag darauf geriet der hohe
Gast
in sinnliches Entzücken –
dergestalt,
dass an der Tafel ihn die Lust
erfasst
zu niesen – und mit welcher
Urgewalt!
Es kam zur Explosion der
Kräuterdüfte,
was jedermann aufs höchlichste
verblüffte.
Nicht
den Koch! Der ohne Weile
griff
Mimi an einem Flügel
und
mit ihr in Windeseile
floh
ins Land der sieben Hügel,
wo
er sie verzaubern ließ in eine Frau:
sie nur kannte "Nies-mit-Lust" derart genau!
© elbwolf, 09.05.2019
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Anmerkungen:
• Die Themenwahl verdanke ich einer Eingebung, als ich an
anderer
Stelle eine Serie bedichteter Kräuter (etwa Waldmeister) von einer
mir bekannten Poetessa sah und überlegte, dass das ein genügend
"weites
Feld" wäre, um mich auch einmal daran zu erproben.
Ähnlich wie einst bei
"Alle Vöglein sind schon da", wo ich auf den
Archäopteryx verfiel,
kam mir hier das Kräutlein Nies-mit-Lust in
den Sinn. Ich kannte es aus dem
Zigarettenbilderalbum Deutsche
Märchen (1939) mit 100 Illustrationen von Paul
Hey (1867-1952), die
aber noch einige Jahre ©-geschützt sind. Mein Vater hatte mir, dem
Vierjährigen, das Album übergeben, als er 1941 ins Feld ziehen musste.
Auf meine Anfrage im Albertus-Herbarium
fand sich dort tatsächlich ein Foto der seltenen
alba-Subspezies, das ich hier nachnutzen durfte.
• Die Gedichtform ist die einer Ballade "mit verteilten Rollen", wie das die unsterblichen
Verse "Fest gemauert in der Erden ..." und "Er zählt die Häupter seiner Lieben ..." aufzeigen.
Rhythmus, Reimung und Verslängen sind daher in den beiden Strophenarten unterschiedlich
festgelegt, was ein Deklamieren nicht gerade leicht macht. Aber nach dem zehnten Versuch
sollte es ohne Versprecher gehen.
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